Wie dem auch sei: Nunmehr können Familiengerichte Umgangsregelungen mit dem Inhalt eines paritätischen Wechselmodells anordnen und es stellt sich die Frage nach den Entscheidungsmaßstäben. Vorgelagert ist freilich die Frage, ob der XII. Zivilsenat des BGH mit dieser Entscheidung den Weg zur Etablierung des Wechselmodells als Standardmodell einschlagen möchte.
Diese Frage, deren Entscheidung eigentlich allein dem Gesetzgeber zusteht, ist deshalb von großem Interesse, weil die Etablierung eines Modells, in dem das Kind nicht einen, sondern im besten Fall zwei, im schlechtesten Fall keinen Lebensmittelpunkt hat, einen scharfen Bruch mit den bislang das Kindschaftsrecht tragenden Grundsätzen bedeuten würde: den Übergang von einem kindeswohlzentrierten auf ein elternrechtzentriertes Kindschaftsrecht und damit – freilich unter ganz anderen Vorzeichen – einen roll back in Jahrzehnte alte Zeiten, in denen die elterliche Sorge noch nicht als treuhänderische Rechtsposition zugunsten des Kindes begriffen worden war. Denn aus der Sicht der beteiligten Eltern und ihrer Rechte ist das Wechselmodell eine gute Lösung: Es ist paritätisch und damit gerecht. Vater und Mutter teilen sich die tatsächliche Verantwortung für ihr Kind, können beide weiterhin intensiven Kontakt zu ihm pflegen und ihren Alltag mit ihm teilen. Beide haben aber auch kinderfreie Zeit und die Möglichkeit, eine neue Partnerschaft oder Familie zu leben.
Allerdings lässt sich bezweifeln, ob dieses Modell der Verteilungsgerechtigkeit als solches stets auch das Wohl des zu verteilenden Kindes im Blick hat. Wer einmal über längere Zeit hinweg zum Pendeln zwischen Arbeitsplatz und Familie gezwungen war, mag die Belastungen ermessen, die das Wechselmodell für ein Pendelkind verursachen kann. Das beginnt bei scheinbar ganz banalen Dingen: Ob das Kind morgen mit seinen Freunden weiterspielen oder die Lieblingshose anziehen kann, die jetzt gerade beim anderen Elternteil liegt, darf dann nämlich keine Rolle spielen. Auch nicht, ob das Kind auf Dauer mit zwei wechselnden Erziehungsstilen umgehen kann, die sich nicht ergänzen, sondern abwechseln, zumal wenn neue Partner der jeweiligen Elternteile hinzukommen. Ganz abgesehen von der Frage, ob sich das Kind – am Ende gar zu Recht – überflüssig fühlt, wenn neue Familien entstehen, in denen andere Kinder kontinuierlich aufwachsen, während es selbst im schlechtesten Fall immer nur Gast bleibt. Kinder halten zwar viel aus und können sich auf vielerlei Modelle einstellen, aber damit ist noch nicht gesagt, dass ihnen das stets auch guttut – und allein darauf kommt es an. Der Gesetzgeber hat lange genug gebraucht, um diesen Grundsatz in einer a-Norm, versteckt am Ende des Kindschaftsrechts, zu positivieren, § 1697a BGB: Es kommt darauf an, was den Kindern guttut – auf das Kindeswohl eben.