Zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber ein für die betroffenen Eltern besser vorhersehbares Berechnungsmodell etablieren möchte. Auch das Ziel, substantielle Betreuungsanteile stärker als bisher im Rahmen der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen, ist zu befürworten. Leider fällt aber das vorgeschlagene Berechnungsmodell ausgesprochen kompliziert aus und ist daher eher nicht praxistauglich. Unterhaltsrecht ist Massengeschäft. Eltern muss es möglich sein, den geschuldeten Kindesunterhalt schnell und unkompliziert berechnen zu können. Dies ist im Residenzmodell mit Hilfe der Kindesunterhaltstabelle und dem Abstellen allein auf das Einkommen eines Elternteils der Fall. Demgegenüber ist schon die Berechnung des Kindesunterhalts im symmetrischen Wechselmodell kompliziert und ohne rechtliche Beratung meist nicht umsetzbar. Eltern meiden daher (auch) wegen der komplizierten Unterhaltsberechnung die Einrichtung eines Wechselmodells, was einen deutlichen Fehlanreiz darstellt. Dies sollte sich im asymmetrischen Wechselmodell nicht wiederholen.
Die Stärke der Unterhaltsberechnung im Residenzmodell liegt darin, dass zum einen nur das Einkommen eines Elternteils ermittelt werden muss und es zum anderen wegen der Einkommensstufen der Kindesunterhaltstabelle in der Regel nicht auf jeden einzelnen EUR des Einkommens ankommt. Dies führt in vielen Fällen zu einer erheblichen Reduzierung des Konfliktstoffes und dazu, dass der Kindesunterhalt vergleichsweise schnell und unkompliziert festgelegt werden kann. Dies liegt insbesondere im Interesse des unterhaltsbedürftigen Kindes, das auf eine schnelle und effektive Festsetzung seines Unterhaltsanspruchs angewiesen ist. Das nunmehr vorgesehene Abstellen auf das zusammengerechnete Einkommen beider Eltern und die Bildung einer Haftungsquote hieraus führt dazu, dass die Vorteile der Unterhaltsberechnung im Residenzmodell verloren gehen. Nicht nur müssen künftig zwei Einkommen ermittelt werden, jeder EUR mehr oder weniger führt zu einer unmittelbaren Verschiebung der Haftungsquote und damit zu einem anderen Zahlbetrag. Dies wirkt konfliktverschärfend und widerspricht dem Interesse des Kindes.
Hinzu kommt, dass viele Eltern die in Schritt 3 vorgesehene Berechnung der Haftungsquote unter Vorwegabzug des angemessenen Selbstbehalts schon jetzt nicht ohne Erläuterung verstehen. Diese Berechnung setzt zwar die §§ 1603, 1606 BGB rechtlich zutreffend um. Aus Sicht der betroffenen Elternteile liegt es aber viel näher, den Unterhalt nach Maßgabe des Verhältnisses ihrer jeweiligen Nettoeinkünfte zueinander zu berechnen, anstatt ihr Einkommen erst um den – eigentlich für den Unterhalt minderjähriger Kinder gar nicht geltenden – angemessenen Selbstbehalt (1.650 EUR) zu bereinigen.
Auch der Ansatz des Betreuungsanteils in Höhe von ⅓ in Schritt 4 in Verbindung mit dem im Beispiel 1 angesetzten 0,67 dürfte den meisten Eltern nicht eingängig sein. Der Ansatz von 0,67 ist zwar mathematisch korrekt, weil die summierten Haftungsanteile am Ende durch zwei geteilt werden. Selbsterklärend ist dies aber nicht.
Bezeichnend für die Kompliziertheit des vorgeschlagenen Berechnungsmodells sind auch die zum Eckpunktepapier herausgegebenen FAQ, die sich ersichtlich an die betroffenen Eltern richten. Unter der Frage "Wie soll die Zahlungsverpflichtung des mitbetreuenden Elternteils berechnet werden?" finden sich rund eine halbe Seite abstrakte Ausführungen zur zukünftigen Berechnung, ohne dass der Leser aber in der Lage wäre, mit den Erklärungen den von ihm geschuldeten Kindesunterhalt selbst zu berechnen. Unterhaltsrecht sollte aber kein Expertenrecht sein, sondern möglichst bürgerfreundlich.
Auch überzeugt der in Schritt 4 vorgesehene Ansatz eines Betreuungsanteils von 0,67 nicht. Dieser soll nach dem Eckpunktepapier die sich aus den beiderseitigen Einkünften ergebende Haftungsquote zugunsten des mitbetreuenden Elternteils verschieben, um "die erhöhten Kosten des mitbetreuenden Elternteils abzubilden". Im Beispielsfall 1 der Anlage führt dies auch tatsächlich zu der angestrebten weiteren Entlastung. Die Haftungsquote verringert sich von 0,87 auf 0,77. Überschreitet die Haftungsquote nach dem Einkommen aber den Faktor von 0,67, führt der Ansatz eines Betreuungsteils von 0,67 zu keiner Verringerung, sondern zu einer Erhöhung des Haftungsanteils und damit zum Gegenteil dessen, was das Eckpunktepapier eigentlich erreichen möchte. Verfügen beide Eltern beispielsweise über gleich hohe Einkünfte, beträgt die Haftungsquote anhand des beiderseitigen Einkommens 0,5. Der Ansatz eines Betreuungsanteils von 0,67 führt dann zu einer Erhöhung der endgültigen Haftungsquote auf 0,57 ((0,5 + 0,67) : 2).
In dogmatischer Hinsicht nicht überzeugend ist zudem der Abzug der 15 % vom Bedarf in Schritt 2. Zur Begründung führt das Eckpunktepapier aus, dass hiermit berücksichtigt werden solle, dass ein Teil des Bedarfs bereits durch den mitbetreuenden Elternteil in Form von Naturalleistungen gedeckt werde. Das ist im Grundansatz zwar nicht z...