Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9.3.2011: hat den Begriff der ehelichen Lebensverhältnisse wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Das soll zum Anlass genommen werden, die nicht überzeugende Rechtsprechung des BGH zu Unterhaltsleistungen aus Altersversorgungseinkünften zur Diskussion zu stellen.
Der Theorie der wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse ist das Bundesverfassungsgericht mit der Auffassung der unwandelbaren, zeitlich durch die Ehescheidung limitierten, ehelichen Lebensverhältnisse entgegengetreten. "Die Rechtskraft der Scheidung setzt gleichsam einen Endpunkt hinter eine gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung der Ehegatten."
Unter dem Blickwinkel der Altersversorgung folgt daraus, dass Versorgungsanwartschaften, die nach Eheende erworben wurden, nicht mehr eheprägend sein können. Soweit sich eine Altersversorgung auf Anwartschaften aus der Ehezeit und auf nacheheliche Anwartschaften gründet, kann für nacheheliche Unterhaltsansprüche nur der in der Ehe angelegte Anteil der Versorgung herangezogen werden.
Hat ein Unterhaltspflichtiger also von einer monatlichen Altersrente von 2.000 EUR einen Anteil von 800 EUR nach der Ehe erlangt, sind die 800 EUR nicht für den Unterhalt verfügbar. Schuldet der nämliche Verpflichtete aus einer zweiten Ehe Unterhalt, in der er Anwartschaften von 400 EUR erworben hat, so prägen die 400 EUR die zweite Ehe und gehören zu den für den Unterhalt des zweiten Ehegatten vorhandenen Mitteln.
Was für nachehelich erworbene Versorgungsanwartschaften rechtens ist, muss auch für vorehelich erworbene Versorgungsanwartschaften gelten. Sie sind außerhalb der Ehezeit erworben und können deshalb nicht eheprägend sein.
Hat unser Verpflichteter Anwartschaften von 400 EUR vorehelich erlangt, sind diese unterhaltsneutral. Für den Unterhalt der ersten Ehefrau stehen 800 EUR bereit.
Um den Unterhalt der jeweiligen Berechtigten zu bemessen, kommt es weiterhin auf die Bedarfssituation an. Ist der Versorgungsausgleich durchgeführt, ist das Recht des unterhaltsbedürftigen Ehegatten auf gleichmäßige Teilhabe an dem verwirklicht, was durch gemeinsame Leistung der Ehegatten erreicht worden ist. Die Heranziehung des ehebezüglichen Rentenanteils zum Unterhalt kommt in diesem Fall bereits aus Bedarfsaspekten nicht in Betracht. Sie käme einer Doppelbelastung des Verpflichteten gleich und wäre ein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz.
Hat ein Versorgungsausgleich nicht stattgefunden, so ist zu prüfen, ob der Berechtigte eigene Versorgungsanwartschaften in der Ehezeit erworben hat. Gegebenenfalls ist nach dem Grundsatz der gleichen Teilhabe des während der Ehezeit Erlangten unterhaltsrechtlich die Differenz der eheanteiligen Renten auszugleichen.
Hat im Beispielsfall kein Versorgungsausgleich stattgefunden und haben der erste und der zweite Ehegatte während ihrer Ehe mit dem Verpflichteten jeder 200 EUR Rente verdient, dann ergibt sich nach dem Halbteilungsgrundsatz für den ersten Ehegatten ein Unterhaltsanspruch von: (800 EUR + 200 EUR): 2 – 200 EUR = 300 EUR und für den zweiten Ehegatten ein Unterhaltsanspruch von: (400 EUR + 200 EUR): 2 – 200 EUR = 100 EUR.
Bei der vorstehenden Berechnung wird von der weiteren Prämisse ausgegangen, dass keine sonstigen eheprägenden Umstände, wie Einkünfte aus während der Ehezeit erworbenem Vermögen, hineinspielen.
Zur Verdeutlichung sei noch eine Fallvariante erörtert:
Endet die zweite Ehe des Verpflichteten erst während seines Rentenbezugs, so sind es nicht mehr die Rentenanwartschaften, die die Ehe prägen, sondern die Renteneinkünfte mit der Folge, dass sich der Unterhalt aus der um den Unterhalt des ersten Ehegatten geschmälerten Rente bemisst. Die Differenz der Renteneinkünfte des Verpflichteten und des zweiten Ehegatten wird ausgeglichen (2.000 EUR – 300 EUR – 200 EUR): 2 = 750 EUR.
Ergebnis: Versorgungsanwartschaften und die sich als Äquivalent daraus ergebende Altersversorgung prägen eine Ehe, nicht dagegen die vorehelich oder nachehelich begründete Altersvorsorge.