a) Nachrangigkeit
Wie bereits in einem Voraufsatz dargelegt, betont der BGH schon seit dem Frühjahr 2009 unter Hinweis auf die gesetzliche Systematik, dass auch elternbezogene Gründe einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils entgegenstehen können, sofern – insoweit vorrangig – nicht schon kindbezogene Gründe gegen eine solche Erwerbstätigkeit sprechen. Neuere Entscheidungen sind in diesem Bereich nicht festzustellen.
b) Überobligatorische Tätigkeit
Schon seit einiger Zeit steht fest, dass allein der pauschale Hinweis darauf, Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit dürften nicht über einen Achtstundentag hinausgehen, nicht ausreicht, sondern dass stattdessen auf der Grundlage der individuellen Verhältnisse eine Beurteilung im Einzelfall vorzunehmen ist. Aktuell machen die unter II. 1. a) dargestellte Entscheidung des BGH und die Entscheidung E 18 deutlich, dass eine ungleiche Lastenverteilung vermieden werden muss. Die Darstellung der konkreten Verhältnisse ist hier unverzichtbar, was sich auch aus der Entscheidung E 21 ergibt; dort hatte die Mutter mit Erfolg auf den Umstand hingewiesen, dass das Kind maximal bis 17.00 Uhr im Hort betreut werden konnte, während sie berufsbedingt erst zwischen 19.00 Uhr und 19.30 Uhr nach Hause kam und zudem noch außerplanmäßige Arbeitsansätze anfielen. Der Kindesmutter wurde hier zugestanden, dass sie nicht während der gesamten Zeit der Fremdbetreuung arbeiten müsse, sondern dass ihr auch ein gewisser Spielraum für Arztbesuche, Behördengänge, Einkäufe und Hausarbeiten zu belassen sei, damit sie sich nach der Rückkehr von der Arbeit persönlich dem Kind zuwenden könne.
c) Tatsächliche Berufstätigkeit
Die Gerichte werten eine tatsächlich ausgeübte Berufstätigkeit regelmäßig als Indiz dafür, dass eine Verträglichkeit mit der Kindesbetreuung anzunehmen ist; dieser Anschein kann erschüttert werden durch Besonderheiten der ausgeübten Tätigkeit. Man meint, gewisse Anklänge an das frühere "Altersphasenmodell" zu verspüren, wenn es in der Entscheidung E 22 heißt, das Zeitfenster einer Ganztagsbetreuung in einer Kindestagesstätte oder Grundschule ermögliche es dem betreuenden Elternteil regelmäßig nicht, einer vollschichtigen Tätigkeit nachzugehen. Konkreter werden die Gerichte in den Entscheidungen E 2, E 5 und E 11, in denen die Besonderheiten von Schichtdienst (Dreischichten-Betrieb) bzw. von eingeschränkten Öffnungszeiten einer Apotheke untersucht werden mit der Folge, dass eine vollschichtige Erwerbstätigkeit ausscheidet. Umgekehrt kann eine solche Tätigkeit für eine im väterlichen Betrieb arbeitende Fahrlehrerin aber durchaus in Betracht kommen, wie die Entscheidung E 16 deutlich macht. Der Besonderheit, dass das fünfjährige Kind längstens bis 17.00 Uhr im Hort betreut werden konnte, während die Mutter berufsbedingt erst ab 19.00 Uhr zu Hause war, wurde in der Entscheidung E 21 dadurch Rechnung getragen, dass eine Erwerbstätigkeit von nur 25 Stunden/Woche nicht beanstandet wurde.
d) Besonderheiten
Die unter II. 1. b) dargestellte Entscheidung des BGH macht deutlich, dass der mütterliche Einsatz im Rahmen von § 1570 Abs. 2 BGB nur bei unmittelbarem Kindbezug (Betreuung) honoriert wird, aber nicht dann, wenn die Erwerbspause andere, nicht im Interesse des Kindes liegende Gründe hat; im entschiedenen Fall war das die Fertigstellung der Habilitationsschrift durch die Kindesmutter. Das "Angebot" einer Ausweitung der väterlichen Betreuung führt nicht zu einer Erhöhung der Erwerbsobliegenheit der betreuenden Kindesmutter, wenn – wie in den Entscheidungen E 5 und E 13 – schon seit langer Zeit kein Kontakt mehr zwischen Kind und Vater bestanden hat und auch die Kommunikation nur eingeschränkt funktioniert. Dagegen wurde in der Entscheidung E 12 der Sonderfall behandelt, dass der Pflichtige durch die Betreuung Einschränkungen erfuhr und die Kindesmutter durch einen großzügigen Umgang entlastet wurde. War die Lebensplanung auf eine Hausfrauen-Ehe angelegt, dann kann sich der betreuende Elternteil mit Erfolg auf eine längere Übergangszeit berufen, wie in der Entscheidung E 9 zu Recht betont wurde. Wie wichtig ein Abstellen auf die Umstände des Einzelfalles sein kann, zeigt sich an der Entscheidung E 15 und der dortigen Auseinandersetzung des Gerichts mit der Erbkrankheit der Kindesmutter. Dieser wird zugestanden, dass Mutter und Kind die (beschränkte) Zeit stärker als im Normalfall miteinander verbringen dürfen und die Mutter nicht bis zur Belastungsgrenze zu beanspruchen ist. In der Entscheidung E 19 wurde der kindesbetreuenden Mutter vorgeworfen, ihre Erstausbildung ohne nachvollziehbaren Grund abgebrochen zu haben. Angesichts einer möglichen Kita-Betreuung bis 17.00 Uhr wurde eine Verpflichtung zu einer ¾-schichtigen Tätigkeit angenommen.
e) Fragen
Auch in diesem Bereich bietet sich eine Strukturierung des Sachverhalts durch folgende Fragen an:
- Wurde eine Erwerbstätigkeit schon ...