Steht ein Beamter kurz vor der Pensionierung bzw. ist er bereits Pensionär, ist zu prüfen, ob ihm noch ein sog. Pensionistenprivileg zusteht. Ein solches Privileg würde den ausgleichspflichtigen Beamten (Richter; auch Soldaten nach § 55 SVG), der bei der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits Pensionär ist, vor den negativen Folgen des Versorgungsausgleichs schützen. Solange der ausgleichsberechtigte andere Ehegatte aus dem ausgeglichenen Beamtenanrecht (egal ob dieses intern oder extern zu teilen ist) selbst noch keine Rente bezieht, würde eine Anrechtskürzung im Versorgungsausgleich für die laufende Pension des ausgleichspflichtigen Beamten nicht vollzogen werden.
Bis 31.8.2009 war der pensionierte Beamte in dieser Weise aufgrund des § 57 BeamtVG a.F. geschützt, ebenso wie pensionierte Richter (oder nach § 55 SVG a.F. pensionierte Soldaten). Zum 1.9.2009 mit Inkrafttreten des VAStrRefG ist das Pensionistenprivileg im Wesentlichen aufgehoben worden. In aktuellen Fällen des Versorgungsausgleichs wird deshalb die Pension aufgrund der Gestaltungswirkung der richterlichen Entscheidung regelmäßig unmittelbar mit der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich gekürzt.
Die Kürzung der Pension des ausgleichspflichtigen Beamten unabhängig davon, ob der andere ausgleichsberechtigte Ehegatte ebenfalls bereits eine Rente bezieht, beruht auf der Verselbstständigung der Versorgungsanrechte, die infolge der ausgleichsbedingten Teilung je eigenständigen, voneinander unabhängigen Versicherungsverläufen folgen. Bei der Abschaffung dieser Privilegierung, die den Ausgleichspflichtigen über den Halbteilungsgrundsatz hinaus durch eine versicherungsfremde Sozialleistung aus den Mitteln der gesetzlichen Regelsicherungssysteme begünstigte, handelt es sich um eine grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmende Gesetzesänderung, weshalb sich der Pensionär nicht allein aufgrund des Entfallens dieses Privilegs auf § 27 VersAusglG berufen kann. Auch verfassungsrechtlich ist die Abschaffung des Privilegs deshalb unbedenklich.
Zu beachten ist allerdings, dass es in einigen Fällen noch zu der Anwendung des Pensionärsprivilegs kommen kann.
I. Altverfahren
Über den Versorgungsausgleich wird teilweise erst mehrere Jahre nach Einleitung des Scheidungsverfahrens entschieden. Deshalb sollte auch sechs Jahre nach der Reform des Versorgungsausgleichs beachtet werden, dass noch eine Übergangsvorschrift, § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG bzw. – für Soldaten – 55c Abs. 1 Satz 2 SVG existiert. Diese Vorschriften sollen als Besitzschutzregelung das Pensionistenprivileg für die Beamten/Richter/Soldaten aufrechterhalten, wenn
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bereits vor 1.9.2009 der Anspruch auf das Ruhegehalt entstanden ist und |
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das Versorgungsausgleichsverfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet (anhängig) worden ist. |
Hinweis:
Eine inhaltsgleiche Übergangsregelung besteht für zu kürzende Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 101 Abs. 3 SGB VI a.F. i.V.m. § 268a SGB VI).
In nahezu sämtlichen derartigen Altfällen wird mittlerweile wegen der Anwendung der Überleitungsvorschriften der § 111 FGG-RG, § 48 Abs. 2 und 3 VersAusglG das neue Recht des Versorgungsausgleichs gelten. Dann stellt sich die Frage, ob mit der Überleitung in das neue Recht nicht auch das Pensionärsprivileg entfallen ist. Damit würden aber die Übergangsregelungen der §§ 101 Abs. 3 SGB VI a.F. i.V.m. § 268a SGB VI, 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG, 55c Abs. 1 Satz 2 SVG sinnentleert. Deshalb gilt auch bei Überleitung in das neue Recht infolge Abtrennung, Ruhen oder Aussetzung des Verfahrens (§ 48 Abs. 2 VersAusglG) oder wegen der besonderen Frist des § 48 Abs. 3 VersAusglG ein solches Pensionärsprivileg fort.
II. Landes-/Kommunalbeamte
Nach Art. 125 Abs. 1 GG galt in jedem Bundesland das alte BeamtVG und damit auch das Pensionistenprivileg des § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG fort, bis ein Bundesland für seine Landes-/Kommunalbeamten eine andere Regelung geschaffen hat. Mittlerweile haben die meisten Bundesländer das Privileg gesetzlich abgeschafft, teilweise dabei auch bestimmte Stichtage bestimmt, bis zu denen das Privileg noch galt. Gleichwohl muss für jeden Landes-/Kommunalbeamten nach dessen speziellen landesrechtlichen Regelungen geprüft werden, ob bzw. wie ein solches Privileg noch besteht.