Bis zum Jahre 2020 sollen nach statistischen Angaben 2 ½ Billionen (!) EUR vererbt werden. Um die steuerlich eingeräumten Freibeträge auszunutzen, wählen viele Eltern die Möglichkeit, ihren Kindern zu Lebzeiten Vermögenswerte zu übertragen. Dies geschieht jeweils nach Ablauf von 10 Jahren. I.d.R. wird aber dann eine Nutznießung vorbehalten. Die Frage, wie ein Vermögenswert mit einem Nießbrauch rechtlich im Zugewinn einzuordnen ist, bereitet dem Familienrechtler besondere Schwierigkeiten. Verursacht wird dies vor allen Dingen durch den "Zickzack-Kurs", den der BGH in den letzten Jahrzehnten leider eingeschlagen hat.
a) Die ursprüngliche Rechtsprechung löste die Fälle durchaus praxisnah, allerdings nach derzeitiger Rechtslage nicht völlig korrekt. Das Nießbrauchsrecht wurde beim Anfangs- und Endvermögen "außen vor" gelassen. Nur die Wertsteigerung der Immobilie als solche unterlag dem Zugewinn.
b) Ab dem Jahre 2007 erfolgte eine Kehrtwendung. Der BGH meinte, die bisherige Rechtsprechung vergleiche in unzulässiger Weise nur zwei Zeitpunkte miteinander. Der sogenannte "gleitende Vermögenserwerb" müsse berücksichtigt werden. Da der BGH der Praxis keine brauchbaren Vorgaben anbot, wie der gleitende Vermögenserwerb zu bewerten sei, herrschte vollkommene Ratlosigkeit. Nießbrauchsfälle blieben Problemfälle in der Zugewinnausgleichsbewertung. Der Hinweis auf den "sachverständig beratenen Tatrichter" war eine wenig hilfreiche Floskel.
c) Mit der neuesten Entscheidung aus dem Jahre 2015 erfolgte erneut eine Kehrtwendung. Im Anschluss an einen Aufsatz von Gutdeutsch meinte der BGH, die Rechtsprechung vom gleitenden Vermögenserwerb könne aufgegeben werden. Es ergäben sich angeblich keine unterschiedlichen Ergebnisse. Diese Auffassung ist bei näherer Betrachtung nicht zu halten. Anhand von einfachen Beispielfällen lassen sich sehr wohl Unterschiedlichkeiten feststellen. Zunächst muss der Nießbrauch in den Fällen eingestellt werden, in denen die Kappungsgrenze eine Rolle spielt. Des Weiteren ist der Nießbrauch selbst nach Auffassung des BGH dann zu beachten, sofern sich der Wert der Immobilie erhöht hat und gleichzeitig eine Erhöhung – und nicht Ermäßigung! – des Nießbrauchsrechts erfolgt.
d) Aus Sicht des Verfassers ist schon jetzt abzusehen, dass der BGH eine erneute Rechtsprechungsänderung vornehmen muss. Angesichts der Bedeutung des Nießbrauchs für den Zugewinnausgleich sollte in § 1374 Abs. 2 BGB eine Regelung eingeführt werden, wonach die Bewertungsmethode bei Vermögensübertragung mit Nießbrauchsvorbehalten vorgeschrieben wird. Hierbei kann man dann natürlich auf dem Standpunkt stehen, dass der Nießbrauch sowohl beim End- wie beim Anfangsvermögen nicht zu bewerten ist. Dies wäre zu rechtfertigen, weil von vornherein mit der Übertragung des Vermögenswertes gleichzeitig ein Abbau des Wertes des Nießbrauches impliziert ist. Ausgenommen werden hiervon könnten die Fälle, in denen ein Nießbrauch im Wert ansteigt oder bei denen die Kappungsgrenze des § 1378 Abs. 2 BGB berührt wird.
Fazit: Die Berechnung eines Nießbrauchsrechts sollte im Rahmen des § 1374 BGB gesetzlich geregelt werden.