Künftig wird sich auch die Frage stellen, welchen Grundrechtsschutz gleichgeschlechtliche Ehen bzw. der Wunsch genießen, eine solche Ehe einzugehen. Eine Rückabwicklung der erfolgten Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist zwar keine ernsthafte politische Option und auch kein realistisches Bedrohungsszenario. Gleichwohl stellt sich die Frage, wie Ehen, die unter dem geltenden Eherecht nicht zwischen Mann und Frau geschlossen wurden, künftig verfassungsrechtlich geschützt sind. Bedeutung kann dem beispielsweise dort zukommen, wo sich ein gleichgeschlechtliches Ehepaar gegen eine Maßnahme wehrt, die die eheliche Lebensführung in Frage stellt. Kann sich etwa ein gleichgeschlechtlicher Ehepartner auf Art. 6 Abs. 1 GG berufen, um eine Ausweisung des Partners (§§ 53 ff. AufenthG) abzuwehren, bzw. ist dieses Grundrecht – wie sonst auch – bei der Interessenabwägung (vgl. §§ 54, 55 AufenthG) in Rechnung zu stellen? Kann eine gleichgeschlechtliche Ehepartnerin unter Berufung auf das besondere Schutzgebot eine unzureichende gesetzliche Förderung der Ehe im Steuer- oder Sozialrecht beanstanden? Die Frage der Anwendbarkeit des jeweiligen Grundrechts ist nicht nur abwägungsrelevant, sondern eröffnet auch eine entsprechende Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 Abs. 1 BVerfGG) sowie einen höherrangigen Kontrollmaßstab, an dem einfachgesetzliche Regelungen gemessen werden können.
Ausgehend vom herkömmlichen Verständnis des Ehebegriffs (oben II.) können sich gleichgeschlechtliche Ehepaare nicht auf den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG berufen. Damit verbleibt für unter dem neuen § 1353 BGB geschlossene Ehen nur das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).
Zitat
"Zu der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Persönlichkeitsentfaltung gehört das Recht jedes Menschen, mit einer Person seiner Wahl eine dauerhafte Partnerschaft einzugehen und diese in einem der dafür gesetzlich vorgesehenen Institute rechtlich abzusichern".
Ob sich freilich bereits hieraus schließen lässt, die gleichheitsrechtliche Annährung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften an die Ehe sei damit auch freiheitsgrundrechtlich abgesichert worden, ist unklar. Das BVerfG hat nur auf die "gesetzlich vorgesehenen Institute" verwiesen; damit sind familienrechtliche Institute zur rechtlichen Absicherung einer Partnerschaft als Solidar- und Lebensgemeinschaft gemeint. Stellt das einfache Gesetz kein passendes familienrechtliches Institut zur Verfügung, greift der Ansatz des BVerfG ins Leere.
1. Verhältnismäßigkeit
Das geltende Familienrecht hat sämtlichen Paarbeziehungen nunmehr die Ehe zur Verfügung gestellt, sodass deren Inanspruchnahme hiernach jedenfalls vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt ist. Eingriffe in den Bestand oder Inhalt sind hieran zu messen und müssen sich insoweit als verhältnismäßig erweisen. Die Verhältnismäßigkeit verweist mit Eignung und Erforderlichkeit nicht zuletzt unmittelbar auf tatsächliche Kontexte, die wiederum in der Angemessenheitsprüfung zu relationieren sind. Obgleich hierüber methodische Unsicherheiten bestehen, gehören zu den tatsächlichen Kontexten auch dominante gesellschaftliche Wertungen, weil aus diesen oftmals überhaupt erst plausible Gründe für einen spezifischen Regelungsbedarf zu gewinnen sind. Gerade gesellschaftliche Wertungen, die der Gesetzgeber selbst aufgegriffen hat, sind hierbei einzubeziehen. Der Gesetzgeber hat das Institut der Ehe gleichgeschlechtlichen Paaren geöffnet und diesen damit eine Option rechtlich-institutionell umhegter Persönlichkeitsentfaltung zur Verfügung gestellt, die sowohl aus der Perspektive der individuellen Freiheitsentfaltung als auch der gesellschaftlichen Wahrnehmung bzw. rechtlichen Anerkennung eine vollwertige Ehe ist, in der im sozialen Miteinander keine andere Beziehung gelebt wird wie zwischen verschiedengeschlechtlichen Ehegatten. Aufgrund der hieraus folgenden sachlichen Nähe des – kontextbezogen mit unterschiedlicher Determinationsdichte verbundenen – Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum Besonderen Persönlichkeitsrecht des Art. 6 Abs. 1 GG dürften im Rahmen typischer Verhältnismäßigkeitsprüfungen (paradigmatisch: Aufenthaltsrecht) keine substanziellen Unterschiede bestehen.