Jetzt hat der BGH in einer Entscheidung vom 30.7.2008 – ohne, dass dies in den amtlichen Leitsätzen zum Ausdruck gelangt – seine Auffassung zu dem Problem kundgetan:
1. Sachverhalt (verkürzt): Die Parteien waren länger als 20 Jahre in kinderloser Ehe verheiratet. Im Scheidungsverbundverfahren hatte sich der Kläger Anfang 2005 verpflichtet, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 600 EUR zu zahlen. Befristung war nicht vorgesehen. Die Einkünfte der Parteien hatten sich seither nicht verändert. Im Oktober 2005 hatte der Kläger aber erneut geheiratet, und zwar die Mutter seines – was schon bei Vergleichabschluss bekannt war – bereits 2003 geborenen Kindes, für das der Kläger allerdings erst seit Okt. 2005 Unterhalt leistet. Der Kläger verlangt Abänderung rückwirkend ab Oktober 2005 und Rückzahlung der seit Rechtshängigkeit der Abänderungsklage zu viel geleisteten Geschiedenenunterhalts. Schon von Amts wegen war u.a. die Frage der Befristung (§ 1578b BGB) des Aufstockungsanspruchs der Beklagten zu klären.
2. Das Oberlandesgericht sah sich bei seiner Berufungsentscheidung vom 26.9.2006 u.a. mit zwei Problemkreisen konfrontiert:
a) Nachträgliche Befristung des Anspruchs der Beklagten auf Aufstockungsunterhalt auf Grund Änderung der Rechtslage (§ 1578b BGB)?
Insoweit kam es entscheidend auf die hier behandelte Frage der Präklusion an. Das OLG entschied sich für die strengere Auffassung, denn die Parteien hätten sich "in Kenntnis aller Umstände auf eine unbefristete Unterhaltszahlung geeinigt". Befristung sei daher nicht mehr möglich.
b) Änderung der Tatsachengrundlagen?
aa) Zwar hatten die neuen Unterhaltspflichten des Klägers dem Grunde nach schon seit der Geburt des Kindes bestanden, richtigerweise war hier aber auf den späteren Zeitpunkt abzustellen, in dem er auf Unterhalt in Anspruch genommen worden war und Leistungen erbracht hatte.
Mit der Einführung dieser somit "neuen" Tatsachen konnte der Kläger nicht präkludiert sein. Allerdings sah sich das OLG zu Recht an einer Kürzung des Unterhalts der Beklagten wegen der langen Ehe der Parteien und des hieraus folgenden unterhaltsrechtlichen Vorrangs der Beklagten (§§ 1609 Abs. 2, 1582 Abs. 1 BGB a.F.) zunächst gehindert. Es half dem Kläger aber mit einer "verfassungskonformen Auslegung" des § 1582 BGB a.F. weiter, indem es die Ehe der Parteien mangels ehebedingter Nachteile der Beklagten und des Umstandes, dass die neue Ehefrau des Klägers ein kleines Kind betreut, im Ergebnis dann doch nicht als "lang" i.S.d. § 1582 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. ansah – und so zu einem Gleichrang der Ansprüche der Beklagten und der jetzigen Ehefrau gelangte. Ergebnis des OLG: Rückwirkend reduzierter Unterhalt der Beklagten, allerdings ohne Befristung.
3. Der Senat sah diese verfassungskonforme Auslegung nicht als erforderlich an. Denn der Unterhaltsanspruch der Beklagten könne durchaus noch im Nachhinein befristet werden, da der Kläger "mit den dafür ausschlaggebenden Umständen bislang nicht präkludiert" sei. Abänderungsklagen könnten – auch ohne Änderung der Tatsachengrundlagen – sowohl auf die Entscheidung des Senats vom 12.4.2006, als auch das Inkrafttreten der Unterhaltsreform zulässigerweise gestützt werden, ohne dass dem Präklusion entgegengehalten werden könne. Denn "erst durch die neuere Senatsrechtsprechung und die gesetzliche Neuregelung des § 1578b BGB sind die weiteren Umstände, insbesondere das Fehlen ehebedingter Nachteile, überhaupt relevant geworden, was eine Präklusion ausschließt" – wobei der Senat u.a. auch auf seine Entscheidung vom 12.4.2006 hinweist.
Das lässt nun nichts an Deutlichkeit vermissen: Wenn der Senat eine Präklusion bei einer kinderlosen, wenn auch länger als 20 Jahre währenden Ehe ausschließt, so wird dies erst recht für die hier in erster Linie thematisierten Ehen gelten, aus denen Kinder hervorgegangen sind, da hier – insbesondere bei längerer Ehedauer – "ehebedingte Nachteile" schon grundsätzlich näher liegen, als bei kinderlosen Ehen.
Aus den zitierten Passagen (Rn 72) der Entscheidungsbegründung lässt sich i.Ü. entnehmen, dass auch für die Abänderung von rechtskräftigen Urteilen in Punkto Präklusion nichts anderes gilt als für die Abänderung von Vergleichen.