Die konsequenteste Linie der Verfassungsrechtsprechung im Familienrecht lässt sich bei Durchsetzung der Gleichberechtigung in der Ehe beobachten. Hier war das Gericht von Beginn an gefordert, traf es doch auf ein vorkonstitutionelles Familienrecht, das den Aussagen des Grundgesetzes eindeutig nicht entsprach. Um den Gesetzgeber nicht zu überfordern, hatte Art. 117 Abs. 1 GG ihm eine Frist bis zum 31. März 1953 gewährt; dann aber sollte alles dem Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehende Recht außer Kraft treten. Bekanntlich ist diese Frist tatenlos verstrichen. Nun gingen die Fachgerichte daran, die Gleichberechtigung der Geschlechter kraft Richterrechts durchzusetzen. Ob sie das unter dem Zeichen der Gewaltenteilung durften, war alsbald Gegenstand einer heftigen Kontroverse. Mit Urt. v. 18. Dezember 1953 schuf der Erste Senat Klarheit: Art. 3 Abs. 2 GG ist eine echte Rechtsnorm; die dem Gesetzgeber gewährte Frist des Art. 117 GG gilt auch für den Bereich von Ehe und Familie; die Fachgerichte handeln also der Verfassung gemäß, wenn sie grundgesetzwidriges vorkonstitutionelles Recht nicht mehr anwenden und die daraus entstehenden Zweifelsfragen und Lücken mit ihren erprobten methodischen Mitteln bewältigen.
Das war die erste große Tat des Gerichts in Sachen Familie: Dem Gesetzgeber wurde ein klares Programm für die Reform des Familienrechts vorgegeben. Dieser jedoch zögerte erneut. Die Gründe dafür liegen in der Zeitgeschichte. Es war jenes Jahrzehnt nach dem Krieg, in dem eine verbreitete wertkonservative Grundstimmung der Modernisierung des Familienrechts entgegenwirkte. Anstelle der strikten Gewährung gleicher Rechte für Mann und Frau sollte ihre "Gleichwertigkeit" – bei durchaus unterschiedlichen Rechtspositionen – das Postulat des Art. 3 Abs. 2 GG erfüllen.
Das "Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts", das schließlich 1957 nach langem Hin und Her beschlossen wurde, ist aus diesem Geist geboren. Wiederum war das Bundesverfassungsgericht gerufen, das die eklatantesten Verstöße gegen das Gleichheitsgebot, nämlich die Hintansetzung der Mutter bei der Ausübung der elterlichen Sorge und der gesetzlichen Vertretung der Kinder für nichtig erklärte: Art. 3 Abs. 2 GG bedingt nach Auffassung des Gerichts die volle Gleichberechtigung von Vater und Mutter. Betroffen war damals freilich nur das Thema für die eheliche Elternschaft, es war aber klargestellt, dass das gesamte Eherecht konsequent nach dem Prinzip gleicher Rechte von Mann und Frau zu gestalten war.
Auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts, die 1959 erging, passierte lange Zeit nichts. Erst 17 Jahre später macht das "Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts" von 1976 mit dem Versuch ernst, ein Eherecht mit gleichen Rechten und Pflichten der Ehegatten zu schaffen, und auch dies nicht mit letzter Konsequenz in allen Fragen. Der nichtige § 1629 Abs. 1 BGB, wonach im Regelfall der Vater die alleinige gesetzliche Vertretung ausübte, wurde ganz einfach nicht durch eine verfassungsmäßige Neuregelung ersetzt – dies geschah erst wiederum drei Jahre später durch das Sorgerechtsreformgesetz von 1979.
Gleiche Rechte für Frau und Mann im Eherecht – wo immer dieses Prinzip durchzusetzen war, konnte man sich auf das Bundesverfassungsgericht verlassen. So auch im Internationalen Privatrecht, wo das Gericht vor allem seit der Entscheidung von 1971 eine Änderung der Rechtsregeln erzwang, die schließlich in ein neues IPR-Gesetz Eingang fanden.
Ein Nachhutgefecht um die Gleichberechtigung wurde im Ehenamensrecht geführt. Die Schöpfer des 1. Eherechtsreformgesetzes hatten das Prinzip des einheitlichen Ehenamens durch folgende Regelung retten wollen: Die Ehegatten konnten nun zwar wahlweise den Geburtsnamen des Mannes oder der Frau zum Ehenamen wählen; trafen sie aber hierüber keine Bestimmung, so firmierte die Ehe nach wie vor obligatorisch unter dem Mannesnamen. Diese patriarchalische Reminiszenz fand erwartungsgemäß nicht den Beifall des Gerichts, das im Jahr 1991 auch in der Namensfrage die Gleichberechtigung konsequent durchsetzte, freilich um den Preis, dass das Prinzip der obligatorischen Namenseinheit in der Ehe aufgegeben wurde. So war die Lösung der Übergangsregelung des Gerichts, so auch die Lösung des 1994 in Kraft tretenden Familiennamensrechtsgesetzes.
Auch dessen Vorschriften beschäftigten alsbald das Verfassungsgericht: Zunächst erklärte es im Jahre 2002 die Regelung, nach welcher die Ehegatten keinen aus ihren jeweiligen Namen zusammengesetzten Doppelnamen als Ehenamen wählen können, für verfassungsgemäß. Doch beanstandete das Gericht zwei Jahre später die Vorschrift, dass ein durch Heirat erworbener Name nach Auflösung dieser Ehe nicht als Ehename in eine neue Verbindung transferiert werden konnte. Auf den ersten Blick scheint diese Namensfrage die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht zu berühren, denn die beanstandete Vorschrift galt für Mannes- und...