Schon während der Ausbildung war es ein Gewinn mit dem Thomas/Putzo zu arbeiten. Kaum ein Lehrbuch verstand es, komplexe Fragen so transparent darzustellen und an richtiger Stelle im Aufbau klar zu lösen. Die beiden Verfasser Reichold und Hüßtege haben diese Qualitäten jetzt in der 31. Aufl. fortgeführt und zu Recht auch auf Nebengesetze wie etwa das FamFG erstreckt. Erstaunlich ist ohnehin, dass über die ZPO hinaus 16 (!) Nebengesetze kommentiert sind.
Die Neuauflage erfasst die einschlägigen Gesetzesänderungen insbesondere zum Zwangsvollstreckungsrecht (Internetversteigerung/"P-Konto" in § 850k ZPO; Gesetz zur Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung), zur Umsetzung der Verbraucherkreditlinie und zur Änderung des internationalen FamilienrechtsverfahrensG. Ebenso wurde bereits die zum 18.6.2011 anwendbare VO Nr. / 2009 des Rates berücksichtigt zur Zuständigkeit, dem anwendbaren Recht sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen. Das für Altfälle noch relevante 6. Buch der ZPO wird weiterhin kommentiert.
Auch hinsichtlich der verarbeiteten Rechtsprechung und Literatur ist der Thomas/Putzo topaktuell, was nunmehr auch durch jährliche Neuauflagen, die im April eines jeden Jahres erscheinen sollen, sichergestellt werden soll. Angepasst sind auch die Kostenanmerkungen nach Änderung des RVG (§ 15a RVG) und des FamFG. Abgerundet wird alles durch ein erweitertes Streitwert-ABC bei § 3 unter Berücksichtigung des FamGKG.
Für eine Neuauflage wäre es wünschenswert, einen Auszug (zumindest 2 Paragraphen) aus dem GKG zu kommentieren: § 21 (unrichtige Sachbehandlung) und § 31 (Zweitschuldnerhaftung); das Erste, weil die Prozessflut leider immer wieder zu Fehlern des Gerichts führt, das Zweite, weil eine zunehmende Armut auch den gewinnenden Teil zu den Kosten heranzieht, wenn der andere Teil verarmt ist. Nachdem der Anwalt auch hierauf hinzuweisen hat, falls sich dieser Fall abzeichnet, sollte der Band auch hierzu die Konturen zeichnen. (Was ist etwa, wenn der Obsiegende selber die Voraussetzungen der PKH erfüllt; kann er dann unabhängig davon, ob PKH beantragt wurde, für die Kosten herangezogen werden? Wäre dies verfassungsrechtlich vertretbar?).
Im Kostenfestsetzungsverfahren wäre die typische Variante anzusprechen: Die Partei tritt die Kostenerstattungsansprüche ihrem Anwalt ab, damit nicht mit (titulierten) Gegenansprüchen aufgerechnet wird; nachdem zu dessen Gunsten der KFB erlassen wird, erhebt die Gegenseite Vollstreckungsgegenklage: zu Recht nach §§ 406, 407 BGB.
Bei der Rechtskraft wäre das Thema Doppelzahlung zu vertiefen: Verurteilung zu rückständigem Unterhalt ist rechtskräftig; übersehen wurde jedoch, dass schon Unterhalt bezahlt wurde (etwa Niebling, NJ 2009, 452).
Bei der Prozesskostenhilfe kann die Beschwerde der Staatskasse dazu führen, dass ein PKH-Antrag mit Bewilligung der PKH zugestellt wird, dann aber durch Beschwerde der Staatskasse Zahlungen aus dem Vermögen angeordnet werden, die einer PKH-Versagung gleichkommen; die ursprüngliche Absicht, nur bei PKH-Bewilligung zu klagen, wird daher missachtet.
Ob eine Schriftsatzfrist nach § 283 ZPO auch im Einstweiligen Verfügungsverfahren gegeben wird, bleibt offen. Je nach Sachverhalt erscheinen kurze Schriftsatzfristen denkbar, kann doch ein richtig ermittelter Sachverhalt eine Berufung überflüssig machen.
Die Berufungssumme (§ 511 ZPO) von derzeit 600 EUR wird voraussichtlich, um PKH-Kosten zu sparen, auf 1.000 EUR angehoben.
Bei der Berufungsverwerfung nach § 522 Abs. 2 ZPO (durch einstimmigen Beschluss) sollte der Kommentar zur Zurückhaltung auffordern; wirkungsvoller Rechtsschutz ist ein Grundrecht und es ist nichts gewonnen, das Berufungsgericht in dem Maße zu entlasten, in dem das BVerfG belastet wird.
Bei der Zwangsvollstreckung sollte die Vollstreckung im Ausland stärker bedacht werden; leider haben Schuldner oft Auslandsvermögen, aber eine Pfändung im Ausland scheidet oft aus – schon weil keine Auskunftspflicht der Banken im Ausland besteht.
Die abgedruckten Nebengesetze sind sehr hilfreich, mit einem Griff kann hier alles Praxisrelevante schnell gefunden werden. Bei § 15a EGZPO sollte jedoch klargestellt werden, dass in Bayern die Wertgrenze für ein Schlichtungsverfahren entfallen ist und sich dieses im Wesentlichen auf Nachbarrechtsstreitigkeiten bezieht. Für geringfügige Forderungen muss daher kein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden.
Teilweise könnten die Kostenanmerkungen noch erweitert werden, so fehlen diese beim Abschlussschreiben (Analoge Anwendung von § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG; Gegenstandswert wie Hauptsache; Grundsätzlich eine 1,3-Geschäftsgebühr; wie Abmahnung).
Fazit: Der kleine mit der großen Sprengkraft: Es ist erstaunlich, wie konzentriert und strukturiert die ZPO (wie auch das FamFG) dargestellt werden; ein kleiner Kommentar, jedoch mit erstaunlichem Inhalt! Das Werk hat den Zivilprozess in Deutschland maßgeblich beeinflusst. Einerseits durch Zitate von Rechtsprechung und Rechtslehre, d...