Das seit dem 1.9.2009 anzuwendende neue Versorgungsausgleichsrecht beschäftigt zunehmend die Gerichte. Insbesondere Fragen der Geringfügigkeit des § 18 VersAusglG und der Teilungskosten gem. § 13 VersAusglG sind Gegenstand der Rechtsprechung. Zweifelsfragen werden hierdurch beantwortet und das teilweise kantige neue Recht wird abgerundet. Für den Anwender werden dadurch Fragen beantwortet und Lücken geschlossen. Dies ist gut so, um insbesondere eine einheitliche Handhabung zu gewährleisten.
Der BGH hat am 7.9.2011 eine weitreichende Entscheidung hinsichtlich der Verzinsung des Ausgleichswerts bei der sog. externen Teilung nach § 14 VersAusglG getroffen. Die Berechnung des Ausgleichswerts erfolgt zum Stichtag Eheende, der Ausgleich wird jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt, der Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich vollzogen. Durch dieses zeitliche Auseinanderfallen konnte es leicht zu Ungerechtigkeiten auf Seiten des Berechtigten kommen. Insbesondere in den Fällen der ausgesetzten Versorgungsausgleichsverfahren konnte der Zeitraum zwischen Ehezeitende und Entscheidung zum Versorgungsausgleich mehrere Jahre betragen. Wird der Ausgleichswert zu einem früheren Zeitpunkt berechnet als der Ausgleich stattfindet, bleibt der Wert im System des Verpflichteten und wird dort zugunsten des Versorgungsträgers verzinst. Dieser Zinsgewinn kam dem Berechtigten nicht zu Gute, da das Gesetz eine Verzinsung des Ausgleichswerts nicht vorsah. Nach der Entscheidung ist dieser Wert jetzt mit dem Rechnungszins der auszugleichenden Versorgung zu verzinsen. Dieser ist in der Regel nicht gering und liegt zwischen 5 % und 6 %.
Die Entscheidung des BGH hat für uns Anwälte erhebliche Konsequenzen. Kennen Sie die Formel aus dem Mathematikunterricht, die da lautet: 72/i = t? Sie gibt die Zeitspanne (t) an, in der sich das Kapital bei einem bestimmten Zins (i) verdoppelt. Rechnet der Versorgungsträger des Verpflichteten also mit einem Rechnungszins von 6 %, verdoppelt sich der Ausgleichswert bei gleicher Verzinsung laut Urteil des BGH in zwölf Jahren. Bei 5 % sind es ca. 14 ½ Jahre. Hätten Sie dieses Ergebnis vermutet? Wohl kaum. Manchmal bergen Entscheidungen mehr Sprengstoff, als man auf den ersten Blick vermutet.
Durch die Entscheidung des BGH wird nicht nur eine bestehende Gerechtigkeitslücke geschlossen und damit der Halbteilungsgrundsatz gewahrt. Bisher verblieb der Zinsgewinn beim Versorgungsträger, jetzt fließt er an den Ausgleichsberechtigten. Aber Achtung: Wie bei allen Regelungen des neuen Versorgungsausgleichs ist es die Aufgabe von uns Anwälten darauf zu achten, dass diese Zinsen auch vom Gericht festgelegt werden. Dafür ist es erforderlich, den Rechnungszins zu kennen und ihn vorab bei der Auskunft erfragt zu haben. Er spielt nicht nur bei der externen Teilung und der Frage der Verzinsung des Ausgleichswerts eine Rolle. Auch bei der Entscheidung, ob eine Versorgung geringwertig ist und damit unter die Bagatellgrenze fällt oder ob der Versorgungsträger nach § 14 VersAusglG eine externe Teilung verlangen kann, spielt er die zentrale Rolle. Eine leichte Veränderung des Rechnungszinses führt zu einer erheblichen Veränderung beim Ausgleichswert.
Ein Rechnungszins von 6 % ist laut Auffassung des Gesetzgebers nicht mehr akzeptabel. Bereits die Reduzierung um knapp 1 % kann zu 10 % – 30 % höheren Ausgleichswerten führen. Dieser "Hebel" bleibt weitgehend unerkannt.
Die Anwaltschaft ist gehalten, aktiv an den Verfahren mitzuwirken, um so eine interessengerechte Entscheidung für den jeweiligen Mandanten zu gewährleisten. Nur die eigenständige Überprüfung der Auskünfte und das Einbringen von eigenen Anträgen in das Verfahren sichert eine optimale Interessenvertretung der eigenen Partei.
Nur Mut!
Klaus Weil, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Marburg