Welcher Art und welchen Ausmaßes müssen die Bemühungen um eine Arbeitsstelle sein und in welchem Ausmaß muss dies dargelegt werden? Einigkeit besteht schon immer darin, dass die bloße Meldung bei der Agentur für Arbeit in keiner Konstellation genügen kann. Im Übrigen hat der BGH hierzu in der oben zitierten Entscheidung vom 27.11.1985 betont:
Zitat
"Die Anforderungen, die an den Vortrag des Unterhaltbegehrenden zu stellen sind, können jedoch nicht in allen denkbaren Fällen gleich sein. Art und Ausmaß der Bemühungen, die der Bedürftige darzulegen hat, hängen im Einzelfall sowohl von den objektiven Bedingungen für die Erwerbsmöglichkeit als auch von den subjektiven Voraussetzungen ab, unter denen er Arbeit suchen muß."
In Zeiten der Vollbeschäftigung müssten an den Nachweis vergeblichen Bemühens höhere Anforderungen gestellt werden als bei einem hohen Anteil von Arbeitslosen auf dem betroffenen Arbeitsmarkt. In dicht besiedelten Bezirken mit hohem Beschäftigungsstand bestünden generell bessere Bedingungen als in strukturschwachen und weniger bevölkerten Landesteilen. Für den Erfolg bei der Bewerbung um einen freien Arbeitsplatz komme es zudem nicht nur auf die Zahl der Mitbewerber an, weil sie sich vielfältig unterschieden.“
Zitat
"Bei der Beurteilung, ob ein Vortrag ausreicht, um das ernsthafte und nachhaltige Bemühen um eine Erwerbstätigkeit darzutun, darf aber vor allem nicht außer Betracht bleiben, ob sich aus der Arbeitsbiografie oder anderen Umständen Erkenntnisse über die subjektive Arbeitsbereitschaft des Anspruchstellers gewinnen lassen."
Diesem Gesichtspunkt müsse der Richter schon deshalb besondere Aufmerksamkeit schenken, weil nicht auszuschließen sei, dass eine Unterhalt begehrende Partei versuchen könnte, ihre mangelnde Arbeitswilligkeit dadurch zu verschleiern, dass sie zu missglückten Versuchen, eine Beschäftigung zu finden, zwar umfangreich vortrage, zumutbare Stellenangebote jedoch verschweige.
Parameter, die der BGH hier aufstellt, sind: Art, Ausmaß, Ernsthaftigkeit, Nachhaltigkeit der Bemühungen, objektive Bedingungen für eine Erwerbsmöglichkeit (Besiedelung des Gebiets, allgemeine Beschäftigungsquote), subjektive Voraussetzungen des Pflichtigen (z.B. Alter, Gesundheit, Vorbildung, Berufserfahrung). Dazu hat sich eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt.
a) Eigeninitiative
Grundvoraussetzung, aber niemals ausreichend, ist die Meldung bei der Arbeitsagentur. Es wird vom Erwerbspflichtigen vielfältige Eigeninitiative verlangt. Die folgenden Anforderungen sind nicht alternativ zu verstehen:
Der Erwerbspflichtige muss die örtliche und ggf. überörtliche Tages- und Wochenpresse studieren und sich auf Zeitungsinserate bewerben. Dasselbe gilt für Bewerbungen auf Internetinserate.
Der Erwerbspflichtige muss eigene Inserate aufgeben. Der Erwerbspflichtige muss sich bei Vermittlungsagenturen und Zeitarbeitsfirmen melden. Er muss bei Bekannten und ehemaligen Arbeitgebern nachfragen und Hinweisen des unterhaltspflichtigen Ehegatten nachgehen. Sämtliche Hilfsangebote sind von ihm in Anspruch zu nehmen, so z.B. Sprachkurse zur Verbesserung seiner Vermittlungsmöglichkeiten oder vorbereitende Fortbildungskurse. Der kranke Erwerbspflichtige hat die Obliegenheit, seine Mitwirkungshandlungen zur Gesundung zu erbringen. Beim depressiv Erkrankten genügt es nicht, bei Fachärzten in Erwartung des Rückrufs anzurufen. Er muss vielmehr dort persönlich vorstellig werden und warten bis jemand ansprechbar ist.
Ein viel diskutiertes Thema sind die Initiativbewerbungen oder auch "Blindbewerbungen". Hierzu wird grundsätzlich die Haltung vertreten, dass sie nie allein, sondern nur in Ergänzung zu Bewerbungen auf konkrete Stellen berücksichtigungsfähig sind. Dabei darf aber ein gewisses Maß an Blindbewerbungen nicht überschritten werden. So ist eine Anzahl von 36 Blindbewerbungen bei insgesamt 88 Bewerbungen zu viel. Das gilt erst recht, wenn mehr als die Hälfte Blindbewerbungen sind. So monierte das OLG Hamm bei einer "Vielzahl" von Bewerbungen, dass davon nur 15 Stück auf konkrete Stellen binnen eines halben Jahres bezogen waren. Unangemessen viele Blindbewerbungen reduzieren die Anzahl berücksichtigungsfähiger Bewerbungen bzw. wirken sich auf die Einschätzung der Ernsthaftigkeit der Bemühungen aus. Andererseits verlangt das OLG Brandenburg zusätzlich zu Bewerbungen auf konkrete Arbeitsstellen auch Blindbewerbungen. Ohne Blindbewerbungen werden vielfach die hohen Anforderungen der Rechtsprechung an die Anzahl der Bewerbungen nicht zu erfüllen sein.