Ausgangslage
Die Entscheidung des BGH vom 10.7.2013 befasst sich mit der Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe im Rahmen des Kindesunterhalts ein Mehrbedarf wegen der Kosten für eine Therapie einer Lese-Rechtschreib-Schwäche bei einem privaten Lehrinstitut geltend gemacht werden können.
Inhalt der Entscheidung
Der am 25.7.1997 geborene Antragsteller entstammt aus einer nichtehelichen Beziehung der Kindeseltern. Er lebt seit Mai 2010 bei dem Kindesvater, der verheiratet und als Rechtsanwalt in einer größeren Kanzlei tätig ist. Die Antragsgegnerin, seine Mutter, arbeitet vollschichtig als Sachbearbeiterin bei einer Versicherung. Der Antragsteller absolvierte seit März 2011 eine einjährige LRS-Therapie bei einem privaten Anbieter. Von den Gesamtkosten von 2.304 EUR begehrt der Antragsteller von der Antragsgegnerin Zahlung von anteiligen Therapiekosten in Höhe von 797,04 EUR. Die Antragsgegnerin hat die Notwendigkeit der Durchführung der LRS-Therapie, insbesondere bei einem privaten Anbieter, bestritten und Einwendungen gegen die auf Seiten beider Elternteile zugrunde gelegten Einkommen erhoben.
Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin antragsgemäß zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
Einordnung der Entscheidung
Der BGH hat in der Entscheidung vom 10.7.2013 unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung, insbesondere auf ein Urteil aus dem Jahr 1982, noch einmal die Voraussetzungen für die Anerkennung eines unterhaltsrechtlichen Mehrbedarfs herausgestellt. Ferner hat er noch einmal die Art und Weise der anteiligen Haftung beider Elternteile für den Mehrbedarf konkretisiert.
Bedeutung der Entscheidung des BGH für die Praxis
Bei Ansatz von Kosten außerhalb der normalen Unterhaltssätze der Düsseldorfer Tabelle ist eine mehrstufige Prüfung anzustellen:
a) Zunächst ist zu prüfen, ob es sich überhaupt um Mehrbedarf handelt. Als Mehrbedarf ist nach der Rechtsprechung des BGH der Teil des Lebensbedarfs i.S.d. § 1610 BGB anzusehen, der regelmäßig während eines längeren Zeitraums anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er beim Kindesunterhalt mit den Tabellensätzen nicht – zumindest nicht vollständig – erfasst werden kann, andererseits aber kalkulierbar ist und deshalb bei der Bemessung des laufenden Unterhalts berücksichtigt werden kann. Kosten für einen Förderunterricht über die Dauer eines Jahres können grundsätzlich unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf darstellen.
b) Weitere Voraussetzung für die Anerkennung von Mehrkosten für den Besuch einer privaten Bildungseinrichtung ist das Vorliegen gewichtiger Gründe, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, die dadurch verursachten Mehrkosten zulasten des Barunterhaltspflichtigen als angemessene Kosten der Ausbildung im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB anzuerkennen. Bevor also Kosten von privaten Fortbildungsträgern geltend gemacht werden, ist zu prüfen, ob es nicht kostengünstigere Maßnahmen gibt, die in gleichem Maße geeignet sind, die bei einem Kind vorliegenden Defizite zu beseitigen. Dies entspricht auch der obergerichtlichen Rechtsprechung. So hat das OLG Hamm jüngst die Übernahme der Kosten für ein privates Repetitorium zwecks Vorbereitung auf das erste juristische Staatsexamen als Mehrbedarf abgelehnt, weil die Universität ein kostenfreies Examensrepetitorium angeboten hatte.
In dem vorliegenden Fall des BGH hatte sich das Kind einem Schreibtest unterzogen, mit dem die deutliche Lese-Rechtschreib-Schwäche festgestellt worden war. Dass es sich bei dem privaten Träger, der den Test durchgeführt hatte, um ein Institut handelte, das auf Gewinnerzielung gerichtet war, hat der BGH nicht beanstandet. Für die Anerkennungsfähigkeit der Kosten war entscheidend, dass der Antragsteller bereits zwischen der fünften und siebten Klasse erfolglos öffentliche Förderungsmaßnahmen durch Regionale Beratungs- und Unterstützungsstellen (REBUS) zur Behebung von Lese- und Rechtschreibschwächen durchlaufen hatte. Angesichts der Erfolglosigkeit der öffentlichen Maßnahmen hat der BGH die Ausführungen des Oberlandesgerichts, nach dem die Kosten für die private Bildungseinrichtung grundsätzlich anerkennenswert waren, gebilligt.
c) Sehr relevant für die Praxis ist die Frage, dass und wie beide Elternteile für den berechtigten Mehrbedarf anteilig haften. Auch hier hat der BGH seinen Grundsatz bestätigt, dass beide Elternteile anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und nach den Maßstäben des § 1603 Abs. 1 BGB aufzukommen haben.
Zunächst ist das Einkommen beider Elternteile unterhaltsrechtlich zu bestimmen. Hierbei gelten die allgemeinen Grundsätze bei der Ermittlung eines unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens. In der Entscheidung des BGH hatte die Vorinstanz die Berücksichtigung einer Tantieme in Höhe von 12.000 EUR bei der Be...