I. Überblick
Ehewohnungssachen (§ 200 Abs. 1 FamFG) richten sich verfahrensrechtlich nach den §§ 200 ff. FamFG und sind als isolierte Verfahren durchweg Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (arg. e. § 112 FamFG). Keine Ehewohnungssache, sondern eine Sonstige Familienstreitsache nach § 266 Abs. 1 FamFG ist das Verfahren auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung. Auch als Folgesache im Verbund kommt eine Ehewohnungssache in Betracht (§ 137 Abs. 2 Nr. 3 FamFG), allerdings nur hinsichtlich der Überlassung der Ehewohnung und der Begründung eines Mietverhältnisses nach Rechtskraft der Scheidung. Auch sind einstweilige Anordnungen in Ehewohnungssachen möglich. Ist eine Entscheidung zur Ehewohnung ergangen, muss diese u.U. noch vollstreckt werden. In allen diesen Fällen stellt sich die Frage des Werts, nach dem sich die Gerichts- und Anwaltsgebühren berechnen. Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über die verschiedenen Verfahren und ihre Bewertung geben.
II. Ehewohnungssache als isoliertes Hauptsacheverfahren
Der Verfahrenswert eines isolierten Verfahrens in einer Ehewohnungssache richtet sich nach § 48 Abs. 1 FamGKG. Im Gegensatz zum früheren Recht (§ 100 Abs. 3 KostO i.d.F. bis zum 31.8.2009), das sich für Anträge auf Überlassung am einjährigen Mietwert orientierte und bei Anträgen auf Nutzungsentschädigung am verlangten Betrag, sind seit dem 1.9.2009 in § 48 Abs. 1 FamGKG insoweit nur noch pauschale Regelwerte vorgesehen. Der Gesetzgeber wollte den bis dato regelmäßig auftretenden Streit über den Miet- bzw. Nutzungswert der Ehewohnung unterbinden.
In Verfahren nach § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG (Ansprüche nach § 1361b BGB – Überlassung der Ehewohnung für die Zeit der Trennung) ist von einem Regelwert in Höhe von 3.000,00 EUR auszugehen und in Verfahren nach § 200 Abs. 1 Nr. 2 FamFG (Ansprüche nach § 1568a BGB – Überlassung der Ehewohnung oder Begründung eines Mietverhältnisses aus Anlass der Scheidung) in Höhe von 4.000,00 EUR.
Der Regelwert des § 48 Abs. 1, 1. Alt. FamGKG gilt dabei nicht nur für Anträge auf Überlassung der Ehewohnung, sondern auch für Anträge auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung aus Anlass der Trennung nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB. Die Vorschrift des § 35 FamGKG wird insoweit verdrängt.
Ansprüche auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung fallen dagegen nicht unter § 48 Abs. 1 FamGKG, da es sich insoweit nicht um eine Ehewohnungssache handelt, sondern um eine sonstige Familienstreitsache i.S.d. § 266 FamFG (s.u. III.).
Soweit die vorstehenden Regelwerte des § 48 Abs. 1 FamGKG nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig erscheinen, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen (§ 48 Abs. 3 FamGKG). Ein solcher Fall ist z.B. gegeben, wenn es sich um ein vom Normalfall deutlich abweichendes, wesentlich höherwertiges Anwesen mit deutlich gehobenem Wohnwert handelt.
Beispiel: Erhöhung des Regelwerts
Die Ehefrau verlangt die Überlassung eines höherwertigen Anwesens mit einer Grundstücksgröße von ca. 1.000 m² und einer Wohnfläche von ca. 250 m² und damit um eine vom Durchschnittsfall abweichende Immobilie mit deutlich gehobenem Wohnwert.
Der Regelwert in Höhe von 3.000,00 EUR nach § 48 Abs. 1, 1. Alt. FamGKG wäre in Anbetracht der besonderen Umstände unbillig. Daher ist er nach § 48 Abs. 3 FamGKG anzuheben. Angemessen ist nach OLG Köln insoweit ein Aufschlag von 50 %, sodass sich ein Wert i.H.v. 4.500,00 EUR ergibt.
Sofern beide Eheleute die Überlassung der Ehewohnung im Wege von Antrag und Widerantrag geltend machen, wird nicht addiert, da derselbe Gegenstand zugrunde liegt (§ 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG). Es gilt nur der einfache Wert. Allerdings kommt insoweit gegebenenfalls eine Erhöhung des Regelwerts nach § 48 Abs. 3 FamGKG in Betracht.
Ebenso wenig wird addiert, wenn im selben Verfahren sowohl der Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung geltend gemacht als auch der Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung, da derselbe Gegenstand zugrunde liegt. Es gilt auch dann nur der einfache Wert.
Beispiel: Antrag auf Überlassung der Wohnung und Antrag auf Nutzungsentschädigung
Während der Trennung beantragt die Ehefrau für die Zukunft die Überlassung der gemeinsamen Ehewohnung, die derzeit vom Ehemann bewohnt wird. Für die bisherige Nutzungszeit beantragt sie zudem die Zahlung einer Nutzungsentschädigung.
Beide Anträge betreffen dieselbe Ehewohnungssache und damit denselben Gegenstand, sodass nur der einfache Wert von 3.000,00 EUR anzusetzen ist.
Gleiches gilt, wenn der eine Ehegatte die Überlassung verlangt und der andere im Wege des Hilfswiderantrags die Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Allerdings ist auch in diesem Fall eine Erhöhung des Regelwerts nach § 48 Abs. 3 FamGKG möglich.
Beispiel: Antrag auf Überlassung der Ehewohnung und Widerantrag auf Nutzungsentschädigung
Die Ehefrau beantragt die Überlassung der Ehewohnung für die Zeit der Trennung. Der Ehemann beantragt die Abweisung des Ant...