Pflegebedürftige sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI i.d.F. ab 1.1.2017 Personen, die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder Fähigkeitsstörungen nach näherer Bestimmung des § 14 Abs. 2 SGB XI aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Der Hilfebedarf muss auf den Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder den Fähigkeitsstörungen beruhen, andere Ursachen für einen Hilfebedarf – etwa die bisher festzustellende Krankheit (§ 14 Abs. 2 SGB XI) – bleiben außer Betracht. Die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit und Fähigkeitsstörungen werden personenbezogen und abstrakt, also unabhängig vom jeweiligen (Wohn-)Umfeld ermittelt. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche oder psychische Schädigungen, Beeinträchtigungen körperlicher oder kognitiver oder psychischer Funktionen sowie gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können. Die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder die Fähigkeitsstörungen und der Hilfebedarf durch andere müssen auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und zumindest in der in § 15 SGB XI beschriebenen Schwere bestehen.
Damit wurden der Begriff der Pflegebedürftigkeit und damit auch seine Legaldefinition gegenüber der bisherigen Begriffsdefinition des § 14 Abs. 1 SGB XI deutlich erweitert. Er bezieht zukünftig unter anderem solche Personen mit ein, deren erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz bisher nach § 45a Abs. 2 SGB XI gesondert festgestellt wurde. Wie bisher, soll eine Pflegebedürftigkeit nur dann solidarisch abgesichert werden, wenn die Problemlagen längerfristig und nicht nur gelegentlich bestehen. Das Kriterium der Beeinträchtigungen oder Fähigkeitsstörungen auf Dauer ist der Pflegebedürftigkeit immanent. Zeitliche Untergrenze sind Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder Fähigkeitsstörungen mit daraus resultierendem Hilfebedarf, die voraussichtlich für mindestens sechs Monate vorliegen. Die Entscheidung über das Vorliegen einer voraussichtlich längerfristigen Pflegebedürftigkeit kann bereits vor Ablauf von sechs Monaten getroffen werden, wenn die Dauerhaftigkeit vorhersehbar ist. Dauerhaftigkeit ist auch dann gegeben, wenn die verbleibende Lebensspanne möglicherweise weniger als sechs Monate beträgt.
Maßgeblich für das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit sind Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder Fähigkeitsstörungen, die in sechs Module gegliedert sind. Die in § 14 Abs. 2 SGB XI aufgezählten und in Anlage 1 zu § 15 SGB XI eingehend geregelten sechs Module, in denen der Grad der individuellen Beeinträchtigungen und Fähigkeitsstörungen ermittelt wird, umfassen jeweils eine Gruppe artverwandter Aktivitäten, Fähigkeiten oder einen Lebensbereich. Sie stellen einen abschließenden Katalog der zu berücksichtigenden Aktivitäten und Fähigkeiten, bei denen Beeinträchtigungen und Fähigkeitsstörungen für die Feststellung von Pflegebedürftigkeit maßgebend sein sollen, dar. Der abschließende Charakter ist erforderlich, weil die Zuordnung zu unterschiedlichen Leistungsgruppen aus einer Gesamtschau aller zu berücksichtigenden Bereiche abgeleitet wird. Dabei findet zum Leidwesen der Praxis nicht einfach eine Ableitung aus den Feststellungen statt. Stattdessen werden die Kriterien zunächst in Punkte und dann in gewichtete Punkte umgerechnet. Die bisherigen Formen der Hilfeleistung (Unterstützung, unmittelbare Erledigung für den Pflegebedürftigen im Sinne einer Kompensation oder Anleitung und Beaufsichtigung, § 14 Abs. 3 SGB XI) bleiben erhalten, sind aber kein Bestandteil des Pflegebedürftigkeitsbegriffs mehr, sondern werden durch das Leistungsrecht der Pflegeversicherung definiert. Dabei entfällt mit dem bisherigen Pflegebedürftigkeitsbegriff auch die Beschränkung auf Kompensation oder Anleitung und Beaufsichtigung bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Insgesamt werden mit den neu einbezogenen bzw. erweiterten Aspekten von Pflegebedürftigkeit gerade in den Modulen 2 – "Kognitive und kommunikative Fähigkeiten", 3 – "Verhaltensweisen und psychische Problemlagen", 5 – "Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen" und 6 – "Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte" zudem Aktivitäten und Fähigkeiten zukünftig stärker betont, die auch eine stärkere Akzentuierung der Hilfe und Ressourcenstärkung durch Anleitung, Motivation und Schulung nach sich ziehen. Eine Anleitung im Sinne der aktivierenden Pflege bleibt Bestandteil der Leistungserbringung.