Frau Seibert, ehemals Richterin des Bundesverfassungsgerichts und für das Familienrecht zuständig, prägte einmal folgenden Satz: "Das Bundesverfassungsgericht ist ein Gericht. Es hat nicht rechtspolitische Entscheidungen in dem Sinne zu treffen, dass es Rechtsfolgen anordnet, die es für richtig oder wünschenswert hält."
Der Streit darüber, wann das Bundesverfassungsgericht seine Kompetenzen überschreitet, währt schon ewig lang. So haben die wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages einen instruktiven Beitrag zum Spannungsverhältnis zwischen dem Gesetzgeber und dem Bundesverfassungsgericht herausgegeben. Hintergrund ist die vielfach geäußerte Kritik, es weite seine Rechtsprechungstätigkeit auf Kosten der Handlungs- und Gestaltungsfreiheit des Bundestages – sprich des Gesetzgebers – zu stark aus. Das höchste deutsche Gericht verfügt kraft Verfassungsrechts über Rechtsprechungsbefugnisse, die gerade die politische Tätigkeit des Parlaments betreffen und seine Handlungs- und Gestaltungsfreiheit beeinträchtigen können. Vor diesem Hintergrund werden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht selten eher als politische denn als rechtliche wahrgenommen. Ihnen kommt gemäß Art. 94 Abs. 2 GG, § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft zu.
Besonders konfliktträchtig sind diejenigen Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht die Gesetzgebung des Bundestages kontrolliert. In diesen Fällen tritt es in unmittelbare Konkurrenz zum Gesetzgeber. Dabei stehen sich die Verfassungsauslegung des Bundesverfassungsgerichts einerseits und die politische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers andererseits gegenüber. Umso bedeutender ist es daher, die Grenzen der verfassungsrechtlichen Kontrolle der Gesetzgebung – die zulässige Prüfungs- und Kontrolldichte – zu beachten. Jüngst hat Treffer in einem Editorial der NJW ausgeführt: "Skepsis ist angebracht, wenn acht Richterinnen und Richter eines Senats den (zurzeit) 736 allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim gewählten Abgeordneten des Bundestags die Leviten lesen; eine kleine Gruppe von Experten teilt den Volksvertretern oft erst nach vielen Monaten oder Jahren mit: So nicht! Das düpiert das Parlament. (…) Aber wenn wir es mit dem wichtigsten Prinzip ernst meinen, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, dann sollte der Rang der von ihm unmittelbar legitimierten Institution gestärkt werden. Gesellschaftliche Grundsatzfragen müssen im Bundestag geklärt werden; dort entscheidet eine Mehrheit."
Anlässlich der Entscheidung zum Bundeskriminalamtgesetz hat Richter des Bundesverfassungsgerichts Eichberger in seinem Sondervotum ausgeführt, dass angesichts der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers in Bezug auf die tatsächliche Beurteilung einer Gefahrenlage und ihre prognostische Entwicklung das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber nicht solch detaillierte Vorgaben hätte machen dürfen. Richter des Bundesverfassungsgerichts Schluckebier hat die Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung dahin kritisiert, dass sie dem Gebot verfassungsrichterlicher Zurückhaltung ("judicial self-restraint") gegenüber konzeptionellen Entscheidungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers nicht hinreichend Rechnung trage.
Dem Bundesverfassungsgericht ist schon vorgehalten worden, es suche "das letzte Heil im demokratischen Verfassungsstaat in einer möglichst umfassenden gerichtlichen Kontrolle". Eine solche Gerichtsgläubigkeit sei weder sachlich überzeugend noch international vermittelbar. Zum Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts urteilt Beckmann, es entstehe der Eindruck, dass es Umwelt- und Klimaschutzpolitik im gut gemeinten Sinne betreibe, aber Mühe habe, das Ergebnis bruchlos mit seiner ständigen Rechtsprechung zur eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Überprüfung grundrechtlicher Schutzpflichten und zum rein objektiv-rechtlichen Charakter der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG in Übereinstimmung zu bringen. Indem das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber lediglich eine derzeitige Übereinstimmung mit der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG und mit grundrechtlichen Schutzpflichten bescheinige, würden weitere Verfassungsbeschwerden und Klagen bei den Verwaltungsgerichten nicht lange auf sich warten lassen. Der Präsident des Bundessozialgerichts Schlegel konstatierte eine "epochale Neuausrichtung des Verfassungsrechts mit weitreichenden Folgen auch für die Zukunft des Sozialstaats." Ob man sich zu einer solchen "epochalen Neuausrichtung" beglückwünschen sollte, bleibe noch abzuwarten. Hierzu heißt es von Bartone ergänzend, gerade angesichts der internationalen Dimension des Klimaschutzes sollte bedacht werden, dass die grenzenlose Ausdehnung des Grundrechtsschutzes und der damit einhergehenden verfassungsprozessualen Rechtsschutzmöglichkeiten zu einer Überforderung und im schlimmsten Fall zum Kollaps des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes führen könne.