I. Einleitung
Das FamFG ist seit dem 1.9.2009, also seit knapp zwei Jahren in Kraft. Wie bei jedem neuen Gesetz gibt es Anpassungsschwierigkeiten, die offen angesprochen werden sollten. Man könnte auch von Vollzugsdefiziten sprechen, die in erster Linie natürlich die Familienrichter, aber auch die Jugendämter und schließlich auch die Anwaltschaft betreffen.
Die neuen verfahrensrechtlichen Vorschriften müssen genauso wie das materielle Recht unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls und des Elternrechts gesehen werden. Richtschnur ist eine Kammerentscheidung des 1. Senats des BVerfG vom 21.6.2002. Der Leitsatz dieser nach wie vor aktuellen Entscheidung lautet:
Zitat
Die verfassungsrechtliche Dimension von Artikel 6 Abs. 2 und 3 GG beeinflusst auch das Prozessrecht und seine Handhabung im Sorgerechtsverfahren. Das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung dem Gebot effektiven Grundrechtschutzes entsprechen, damit nicht die Gefahr einer Entwertung materieller Grundrechtspositionen entsteht. Dies gilt auch und gerade in kindschaftsrechtlichen Eilverfahren (hier: Entzug des Elternrechts).
Wenn der Eingriff in das Elternrecht ergeht, muss die beschleunigte Aufklärung des Sachverhaltes durch das Familiengericht erfolgen.
Viefhues hat in einem Beitrag für die FamRZ den Wunsch der Praxis in der 1. Instanz wiedergegeben, Verfahrensrecht auf seine Bedeutung als pragmatisch anzuwendendes "Handwerkszeug" zu beschränken, das dem Ziel dient, eine Entscheidung in der Sache zu ermöglichen, es aber keinesfalls zum Selbstzweck oder gar Hauptthema eines gerichtlichen Verfahrens aufzuwerten. Wenn man sich einige Entscheidungen von Oberlandesgerichten in den letzten Monaten anschaut, hat man so seine Zweifel, ob dem Verfahrensrecht in Teilbereichen eine angemessene Bedeutung beigemessen wird. Auch hierauf werden wir wohl im Zusammenhang mit der Entscheidung des OLG Oldenburg zu der gesetzlichen Vertretung des Kindes (Ergänzungspfleger?) neben dem Verfahrensbeistand noch kommen.
Dieser grundsätzlich pragmatische Ansatz lässt für die Bestellung eines Verfahrensbeistandes in einer nicht wichtigen Umgangsrechtsangelegenheit genauso wenig Raum wie die Bestellung eines Ergänzungspflegers. Wenn ein größerer Interessengegensatz zwischen den Eltern besteht, der von den Eltern nicht aufgefangen werden kann, muss ein Verfahrensbeistand bestellt werden. In diesem Fall ist der Interessengegensatz der Eltern untereinander aufgefangen. Warum die gesetzliche Vertretung der Eltern ausgeschlossen sein soll, ist für mich nicht eindeutig.
II. Beschleunigungsgrundsatz
§ 155 FamFG sieht in speziellen Kindschaftsverfahren die Notwendigkeit vor, dass schnell entschieden wird. Die Verfahrensbeschleunigung ist ein wesentliches Element des neuen FamFG. Zurückzuführen ist diese Entscheidung des Gesetzgebers auf die Kritik des Bundesverfassungsgerichts und des EGMR an der Dauer der kindschaftsrechtlichen Verfahren, insbesondere an den Feststellungen von Heilmann zum kindlichen Zeitempfinden. Man hat dann Elemente des Cochemer Modells, was die Verfahrensbeschleunigung anbelangt, in den Gesetzestext hineingenommen, was grundsätzlich auch von mir begrüßt wird. Wir haben Beschleunigung im Übrigen ja auch in anderen Rechtsgebieten, z.B. beim Arbeitsgerichtsverfahren (Kündigungsschutzprozess) und auch neuerdings in Jugendstrafverfahren. Beschleunigung ist in einem grundsätzlich zögerlichen Apparat wie der Justiz nur schwer durchzusetzen (Richter: "Das haben wir immer schon gemacht, wenn es darauf ankommt, haben wir schnell reagiert", was natürlich nur die halbe Wahrheit ist).
Ein Monat ist die Maximalfrist. Bei Kindeswohlgefährdung ist ein noch früherer Termin notwendig. Im Übrigen wird das Beschleunigungsgebot durch gesetzliche Regelungen wie §§ 157, 156 FamFG ergänzt.
Bei der Anwendung des Beschleunigungsgebots ist immer zu berücksichtigen, dass die Gestaltung des Verfahrens der Gefahr einer faktischen Präjudizierung Rechnung tragen muss. Alles was entschieden wird, trägt zur Verfestigung tatsächlicher Bindungs- und Beziehungsverhältnisse bei.
Beschleunigt sind folgende Kindschaftssachen durchzuführen:
Beschleunigung beim Umgangsrecht ist nur dann angesagt, wenn nach herrschender Auffassung Umgangsverweigerung erfolgt. Geht es nur um die Abänderung einer Umgangsvereinbarung mit geringerer Bedeutung z.B. Änderung des Zeitraums oder Erweiterung des Zeitraums um eine halbe Stunde oder um einen weiteren Tag in der Woche, z.B. Mittwoch nachmittags 3 Stunden, ist ein Anlass für ein beschleunigtes Verfahren nicht gegeben.
Grundsätzlich stehe ich persönlich der Beschleunig...