Klaus Weil
Nein, ich möchte Sie diesmal nicht mit den profanen Herausforderungen des Versorgungsausgleichsrechts konfrontieren. Obwohl der BGH derzeit interessante Fragen wie den nachehezeitlichen Werteverzehr bei kapitalgedeckten Versorgungen zu entscheiden hat. Soll dieser versicherungsmathematische Werteverzehr zulasten der Versichertengemeinschaft gehen? Oder doch eher zulasten des bereits Rente beziehenden Verpflichteten? Oder soll sich gar der Ausgleichsberechtigte mit dem Anteil begnügen, der zum Zeitpunkt der Entscheidung noch vorhanden ist?
Auch die Frage des "richtigen" Rechnungszinses im Rahmen der Barwertbildung liegt dem Senat zur Entscheidung vor. Ist der Rückstellungszins von 6 %, oder der Zins nach dem BilMoG oder etwa der derzeit marktübliche Zins zur Berechnung des Ausgleichswertes zu verwenden?
Nicht zu vergessen die Frage der maßgebenden Bezugsgröße im Rahmen der Teilung von Anwartschaften der VBL.
Die neue Düsseldorfer Tabelle 2015 mit unveränderten Kindesunterhaltssätzen soll hier nur am Rande erwähnt werden. Obwohl sich dieses Jahr einmal wieder deutlich zeigt, dass die Verknüpfung des § 1612a BGB an das Steuerrecht mit § 32 Abs. 6 EStG nicht sonderlich gelungen ist. Die Anhebung der SGB II Sätze und die Steigerung der Wohnkosten führte unweigerlich zur Erhöhung der Selbstbehalte. Schließlich soll niemand selbst sozialhilfebedürftig werden, der Unterhalt zahlt. Nur: die Änderung des § 32 Abs. 6 EStG lässt auf sich warten. Damit kann auch nicht der Mindestkindesunterhalt angehoben werden. Dies geht zulasten der Unterhaltsberechtigten. Hier läuft das System nicht im Einklang, was sicherlich so nicht gewollt war.
Dies sind aber Probleme, die im Gegensatz zu den wahren Machtverhältnissen innerhalb unserer Familiengerichte geradezu in den Hintergrund treten. Haben Sie schon einmal nachmittags in einer lang andauernden, hochstreitigen Gerichtsverhandlung gesessen? Man hat schon zwei Stunden verhandelt. Es wird um einen Vergleich gerungen. Beide Seiten versuchen mit ihren Argumenten zu überzeugen. Das Gericht gibt sich alle Mühe zu vermitteln. Ein Ergebnis liegt in der Luft. In diesem Moment wird die Tür zum Verhandlungssaal der nicht öffentlichen Sitzung geöffnet. Auftritt des Justizwachtmeisters mit den deutlichen Worten: "Um halb 5 Uhr ist hier Schluss! Dann schließe ich unten zu!"
Das sind Momente besonderer Wucht und Dynamik.
Sichtbare Bedenken kommen bei den Beteiligten auf: Werden wir heute hier übernachten müssen? Und das noch mit dem/der Exehemann/Exehefrau? Ein Blick auf den Richter zeigt, auch bei ihm herrscht Verunsicherung. Der mögliche Vergleich, ja der gesamte Prozess tritt in diesem Moment in den Hintergrund. Ureigene Interessen der Verfahrensbeteiligten und der Wunsch, das Gerichtsgebäude noch am gleichen Tag zu verlassen, überlagern juristische Feinheiten von Unterhalts- und Zugewinnausgleichsberechnung. Wohl dem, dessen Vorsitzender noch einen Ersatzschlüssel zur Hintertür bei sich hat und so den Fortgang der Sitzung und damit das Heimkommen der Beteiligten sichert.
Manchmal ist die Schlüsselgewalt innerhalb des Familiengerichts spürbar näher als die Entscheidungsgewalt von BGH und Gesetzgeber.
Autor: Klaus Weil
Klaus Weil, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Marburg
FF 2/2015, S. 45