aa) Objektive Kooperationsfähigkeit und subjektive Kooperationsbereitschaft
Nach ganz h.M. sind objektive Kooperationsfähigkeit und die subjektive Kooperationsbereitschaft der Eltern Grundvoraussetzungen einer funktionierenden gemeinsamen elterlichen Sorge.
Bei der ersten Voraussetzung liegt die Schwierigkeit eher in der Feststellung im Einzelfall. Die zweite Voraussetzung ist rechtspolitisch problematisch und zum Teil in sich widersprüchlich. Denn indem einer der Elternteile einen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge stellt, zeigt er, dass es ihm an der subjektiven Kooperationsbereitschaft fehlt. Das Vorhandensein der Regelung des § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB macht deutlich, dass die bloße Ablehnung der Kooperation durch einen Elternteil nicht ausreichen kann. Zum einen ist ein Elternteil allein nicht berechtigt, die Sorgegemeinschaft mit dem anderen Elternteil willkürlich aufzukündigen. Zum anderen ist zu prüfen, ob sich die ablehnende Haltung des einen Elternteils auf die Kooperation als solche oder nur gegen die Sorgegemeinschaft richtet. Im ersteren Fall spricht dies für eine fehlende Kooperationsfähigkeit, im zweiten Fall liegt der Schluss auf sachfremde Erwägungen nahe. Allerdings muss man sich der Tatsache stellen, dass ab einem gewissen Zerrüttungsgrad auch ein Familiengericht eine Kooperation der Eltern nicht mehr erzwingen kann.
bb) Mindestmaß an Übereinstimmung/Verständigung in Sorgerechtsangelegenheiten von erheblicher Bedeutung
In der familiengerichtlichen Praxis wird dieses Kriterium uneinheitlich und zum Teil sehr einzelfallbezogen beurteilt.
So wird das Erfordernis des Vorhandenseins der objektiven Kooperationsfähigkeit und subjektiven Kooperationsbereitschaft überwiegend dahingehend eingeschränkt, dass lediglich ein Mindestmaß an Übereinstimmung in Sorgerechtsangelegenheiten von Nöten ist. Bei den Eltern muss eine konkrete und nachhaltige Einigungsunfähigkeit vorliegen. Weiterhin kann sich der antragstellende Elternteil nicht auf bloße Verständigungsschwierigkeiten berufen. Es müssen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für eine nachhaltige Einigungsunfähigkeit vorliegen und festgestellt werden.
Auch wird – jedenfalls in Grenzen – eine Pflicht der Kindeseltern zur Konsensfindung bejaht, solange ihnen dies zum Wohl des Kindes zumutbar ist. Allerdings darf diese Verpflichtung nicht überspannt werden. Nicht zumutbar ist eine solche Konsensfindung bei erheblichen, höchstpersönlichen Straftaten gegenüber dem anderen Elternteil (z.B. Vergewaltigung).
Überwiegend wird es für ausreichend gehalten, wenn bei den Eltern bezogen auf wesentliche Sorgerechtsangelegenheiten (§ 1687 Abs. 1 S. 1 BGB) ein Mindestmaß an objektiver Kooperationsfähigkeit und subjektiver Kommunikationsbereitschaft besteht. Zu den wesentlichen Sorgerechtsangelegenheiten gehören z.B. die Regelung des Umgangs, des Aufenthalts des Kindes, der Einschulung, der Auswahl des Schulsystems bzw. der Schule sowie Fragen der ärztlichen Versorgung. Soweit Fragen ohnehin dem Alleinentscheidungsrecht eines Elternteils (§ 1687 Abs. 1 S. 2 BGB) unterliegen, führen Meinungsverschiedenheiten hierüber nicht zu einer Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Dies gilt allerdings nur in den Fällen, in denen noch keine nachhaltige Zerrüttung des elterlichen Verhältnisses eingetreten ist.
Wenn sich die Streitigkeiten der Kindeseltern auf das Umgangsrecht beschränken und eine Beeinträchtigung des Kindeswohls nicht feststellbar ist, dürften auch gerichtliche Auseinandersetzungen einer gemeinsamen elterlichen Sorge nicht entgegenstehen. Denn eine Verschärfung des Streitpotentials durch die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist in diesen Fällen eher nicht zu erwarten. Im Übrigen stehen das Sorgerecht und das Umgangsrecht ohnehin als selbstständige Rechte nebeneinander. Zwar beinhaltet das elterliche Sorgerecht auch das Recht, den Umgang eines gemeinsamen Kindes mit dem anderen Elternteil zu regeln. Im Konfliktfall obliegt es jedoch dem Familiengericht, das Umgangsrecht zu regeln, § 1684 Abs. 3 BGB.
Auch einzelne Auseinandersetzungen über wesentliche Sorgerechtsfragen können nicht ohne Weiteres eine (teilweise) Auflösung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts rechtfertigen. Insbesondere muss noch die Möglichkeit des § 1628 BGB geprüft werden.