Mit seiner zweiten Entscheidung in Sahyouni vom 20.12.2017 hat der Gerichtshof der Europäischen Union im internationalen Scheidungsrecht endgültig eine Lücke aufgedeckt. Bisher konnte der deutsche Gesetzgeber mit guten Argumenten der Auffassung sein, dass die Rom-III-Verordnung das anwendbare Scheidungsrecht umfassend bestimmt, insbesondere auch für Privatscheidungen, die nicht durch eine gerichtliche oder behördliche Gestaltungsentscheidung wie bei uns (§ 1564 S. 1 BGB), sondern durch Erklärungen der Ehegatten, sei es mit oder ohne staatliche Begleitung, vollzogen werden. Der deutsche Gesetzgeber hatte deshalb, dieser Ansicht folgend, die alte Kollisionsnorm für die Ehescheidung in Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F. vollständig gestrichen. Auch hatte der Gesetzgeber darauf verzichtet, eine Auffangregel wie Art. 25 EGBGB n.F. zu schaffen und Fragen, die nach deutschem Kollisionsrecht scheidungsrechtlich zu qualifizieren sind, aber nicht vom Anwendungsbereich der Rom-III-Verordnung erfasst werden, der Verordnung zu unterwerfen. Art. 17 Abs. 1 EGBGB n.F. verweist lediglich für gewisse vermögensrechtliche Folgen der Scheidung subsidiär auf die Rom-III-Verordnung.
Der Schritt, das deutsche Scheidungskollisionsrecht ersatzlos aufzugeben, hat sich nunmehr als vorschnell erwiesen. Der Gerichtshof hat in Sahyouni auf Vorlage des OLG München festgestellt, dass die Rom-III-Verordnung das auf Privatscheidungen anwendbare Recht nicht bestimmt, sondern nur gerichtliche oder behördliche Scheidungen erfasst, also Scheidungen "unter konstitutiver Mitwirkung" eines Gerichts oder einer Behörde (vgl. Rn 22 des Urteils), bei "denen die Ehescheidung entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer staatlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen wird" (Rn 45 des Urteils).
Konkret ging es in Sahyouni um eine Scheidung durch einseitige Erklärung des Ehemanns vor einem geistlichen Gericht in Syrien, wobei sich der Ehemann von einem Bevollmächtigten vertreten ließ. Infolge dieser Erklärung stellte das Gericht die Scheidung der Ehe fest und die Ehefrau erklärte förmlich, dass der Ehemann die ihm obliegenden Scheidungsfolgenpflichten durch Leistung von insgesamt 20.000 US-Dollar erfüllt habe. Offenbar handelt es sich hierbei um eine Abfindung für die bei der Eheschließung vom Ehemann zugesagte Brautgabe (mahr).