Im Zusammenhang mit der Qualitätsdiskussion über familienpsychologische Sachverständigengutachten stellt sich zu Recht die Frage, welche Verantwortung die Familiengerichte für eine sachgerechte familienpsychologische Begutachtung trifft.
Das Familiengericht hat auch und gerade in Kindschaftsverfahren nicht nur die Verantwortung für die richtige Rechtsanwendung, sondern auch dafür, dass diese auf einer gesicherten Tatsachenbasis beruht. Diese Verantwortung kann weder rechtlich noch faktisch durch die Beauftragung eines Sachverständigen abgegeben werden. Das Familiengericht ist gemäß § 30 Abs. 1 FamFG, § 404a ZPO Herr des Verfahrens und leitet den Sachverständigen. Der Umfang der Beweisaufnahme wird durch das Familiengericht bestimmt. Eine Überschreitung des Gutachtenauftrages durch den Sachverständigen kann zu seiner Befangenheit oder zur Unverwertbarkeit des Gutachtens führen. Eine wichtige Weichenstellung zur Wahrnehmung der Letztverantwortung des Familiengerichts für die Beweisaufnahme ist die Formulierung des Beweisbeschlusses. Die im Beweisbeschluss gestellten Beweisfragen stellen ein wichtiges Indiz dafür dar, ob der richtige Prüfungsmaßstab angewendet wurde und ob das Sachverständigengutachten überhaupt Grundlage einer Entscheidung sein kann. Wurde die Beweisfrage nicht korrekt gestellt, kann dies zur inhaltlichen Unverwertbarkeit des Gutachtens führen. Insbesondere muss auf die richtige Verwendung der unterschiedlichen Kindeswohlmaßstäbe (z.B. Kindeswohlgefährdung bzw. was dient dem Kindeswohl am besten?) geachtet werden. Das Familiengericht muss mithin höchste Sorgfalt bei der Formulierung der Beweisfragen walten lassen. Die beteiligten Anwälte sollten Einwendungen gegen die Formulierung der Beweisfragen rechtzeitig vorbringen.
Eine weitere äußerst umstrittene Frage ist, wie konkret die Beweisfragen dem Sachverständigen gestellt werden müssen und ob es zulässig ist, dem Sachverständigen rechtliche Fragestellungen vorzulegen. Für eine möglichst konkret gefasste Beweisfrage und eine psychologische Fragestellung spricht, dass das Familiengericht dann seiner Anleitungs- und Überwachungsfunktion für den Sachverständigen deutlich besser nachkommen kann. Rechtliche Fragestellungen widersprechen eigentlich den allgemeinen Grundsätzen der Beweiserhebung in gerichtlichen Verfahren und vermischen die Verantwortung des Familiengerichts mit der des Sachverständigen. Weiterhin erfordern rechtliche Fragestellungen eine Übersetzungstätigkeit des Sachverständigen, die zu Interpretationsfehlern führen kann. Für die Zulassung auch (weit gefasster) rechtlicher Fragestellungen an den Sachverständigen könnte sprechen, dass der Sachverständige im Rahmen seiner Begutachtung einen größeren Spielraum hat und zum Teil zeitaufwendige Nachfragen gegenüber dem Familiengericht entfallen können. Diese praktisch nachvollziehbare Intention dürfte sich aber mit den rechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Verantwortung des Familiengerichts für die Beweisaufnahme (§ 30 Abs. 1 FamFG, § 404a ZPO) nur schwer in Einklang bringen lassen. Allerdings führt das Erfordernis eines möglichst konkreten und auf psychologischen Fragen beruhenden Beweisbeschlusses zu erhöhten Anforderungen an das Familiengericht.
Die Rechtsprechung und die familiengerichtliche Praxis begnügen sich nach Wahrnehmung des Verfassers derzeit mit weitgefassten, vorwiegend auf rechtlichen Fragestellungen beruhenden Beweisbeschlüssen. Die Sachverständigen leiten dann aus den gerichtlichen Fragestellungen psychologische Fragestellungen ab. Das BVerfG hat diese Verfahrensweise, welche eine Übersetzungstätigkeit des Sachverständigen und eine Ableitung von psychologischen Fragestellungen erfordert, nicht beanstandet. Vonseiten des Familiengerichts ist aber darauf zu achten, dass sich der rechtliche Prüfungsmaßstab (insbesondere bei Fragestellungen betreffend §§ 1666, 1666a BGB) in den psychologischen Fragestellungen widerspiegelt. Fehler in diesem Bereich führen zwar nicht per se zur vollständigen Unverwertbarkeit des Gutachtens; allerdings muss sich das Familiengericht bei Fehlern in diesem Bereich intensiv mit dem Gutachten auseinandersetzen und vertieft begründen, warum das Gutachten jedenfalls – in Teilen – Grundlage der Entscheidung sein kann.
Soweit relevante Anknüpfungstatsachen für die Begutachtung streitig sind, empfiehlt sich eine Rücksprache des Sachverständigen mit dem Gericht, welche Anknüpfungstatsachen er seiner Begutachtung zugrunde legen soll (§ 30 Abs. 1 FamFG, § 404a Abs. 3 ZPO). Nach überwiegender Auffassung ist es zulässig, dass der Sachverständige auch ohne ausdrücklichen Auftrag selbst Anknüpfungstatsachen ermittelt. Jedenfalls muss das Sachverständigengutachten deutlich machen, aufgrund welcher Erwägungen es bestimmte Anknüpfungstatsachen zugrunde legt. Denn nur ein Gutachten, welches auf vollständigen und zutreffenden Anknüpfungstatsachen aufbaut, ist für das Gericht verwertbar u...