Eine große Schwierigkeit bei der Überprüfung familienpsychologischer Sachverständigengutachten stellte bisher der Umstand dar, dass es keine allgemein verbindlichen Qualitätsstandards hierfür gab. Insoweit ist eine für die Praxis hilfreiche Veränderung eingetreten.
Durch eine breit zusammengesetzte Arbeitsgruppe konnten am 16.9.2015 Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht definiert werden. Diese Mindestanforderungen haben zwar keine Gesetzeskraft, dürften aber handlungsleitend bei der Überprüfung familienpsychologisches Sachverständigengutachten sein. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Umstand, dass der Deutsche Bundestag diese Mindestanforderungen im Rahmen einer Entschließung einstimmig angenommen hat. Perspektivisch spricht einiges dafür, dass diese Mindestanforderungen – ähnlich wie die Düsseldorfer Tabelle im Unterhaltsrecht – Richtliniencharakter bei der Überprüfung familienpsychologischer Sachverständigengutachten haben werden. In der Rechtsprechung gibt es bereits erste Entscheidungen, die auf die Mindestanforderungen für die Bewertung von Gutachten bzw. für die Beurteilung der Befangenheit von Sachverständigen Bezug nehmen.
a) Fehlerquellen familienpsychologischer Sachverständigengutachten
aa) Allgemeine Grundsätze
Vorgelegte Gutachten hat das Familiengericht kritisch zu würdigen. Gegenstand der Überprüfung sind zugrunde gelegte tatsächliche Umstände, logische Schlüssigkeit, Tragfähigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie der eingesetzten Erkenntnismethoden im Allgemeinen und der Schlussfolgerungen des Gutachters im Besonderen. Eine familiengerichtliche Entscheidung sollte erkennen lassen, warum dem Gutachten zu folgen ist, d.h. dass das Gericht die Gedankengänge des Sachverständigen nachvollzogen, dessen tatsächliche Feststellungen, die Anwendung der wissenschaftliche Erkenntnisse sowie die gezogenen Schlüsse in hinreichender Weise auf ihre Tragfähigkeit geprüft und sich eine eigene Überzeugung gebildet hat. Bei der Prüfung von familienpsychologischen Sachverständigengutachten ist auf folgende Punkte zu achten:
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fehlende wissenschaftliche Begründung und Tragfähigkeit |
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fehlende logische Schlüssigkeit |
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Widersprüchlichkeit |
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Unübersichtlichkeit |
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Verwendung falscher tatsächlicher Voraussetzungen |
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Verwendung streitiger Anschlusstatsachen |
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fehlende Bezeichnung von Gehilfen und vom Umfang deren Tätigkeit. |
Hinweis:
Als Bestandteil der Mindestanforderungen eignen sich für eine Überprüfung auch die im dortigen Anhang aufgeführten Fragen.
bb) Mangelhaftigkeit des Gutachtens wegen Befangenheit des Sachverständigen
Die Ausführungen im Gutachten dürfen keine sachfremden Erwägungen oder Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Sachverständigen erkennen lassen.
Ein Teil der im Rahmen der Qualitätsdiskussion über familienpsychologische Gutachten angeführten Fälle zeichnet sich dadurch aus, dass die diskutierten Gutachten deshalb keine taugliche Entscheidungsgrundlage darstellten, da erhebliche Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit des Sachverständigen bestanden. Auch wenn diese Gründe nicht zu einer erfolgreichen Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit führen, können sie die Verwertbarkeit des Gutachtens infrage stellen.
Eine teilweise oder vollständige Unverwertbarkeit des Gutachtens kommt insbesondere in Betracht, wenn der Sachverständige den Gutachtenauftrag eigenständig überschreitet oder nicht vorgegebene Anknüpfungstatsachen zugrunde legt bzw. Beweise eigenständig würdigt.
Hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen gilt dies nicht, wenn dem Gericht die erforderliche Sachkunde für die Entscheidung fehlt, welche Tatsachen für die Begutachtung er...