Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersetzung der Schweigepflichtsentbindung der Kindseltern zur Ermittlung von Anknüpfungstatsachen im Rahmen der familienpsychologischen Begutachtung
Leitsatz (amtlich)
Soweit der Sachverständige im Rahmen einer familienpsychologischen Begutachtung Anknüpfungstatsachen, die er für die Beantwortung der Beweisfragen für bedeutsam hält, mittels der Einholung von Auskünften von dritten Personen (z.B. Ärzten und Lehrern) erhebt, ist dies verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.
Bei Weigerung der Kindeseltern die Schweigepflichtsentbindungserklärung für das Kind zur Einholung von Auskünften bei dritten Personen zu erteilen, kann diese Erklärung gemäß § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB ersetzt werden.
Normenkette
FamFG §§ 26, 29-30; BGB § 1666 Abs. 3 Nr. 5
Tenor
1. Die Beschwerde der Kindeseltern gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - O. vom 3. April 2017 (5 F ...) wird zurückgewiesen.
2. Den Kindeseltern werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je 1/2 auferlegt.
3. Der Antrag der Kindeseltern auf Bewilligung von Verfahrens-kostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
4. Der Antrag des Kindesvaters, Herrn R für ihn als Beistand zuzulassen, wird zurückgewiesen.
5. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. In dem vor dem Amtsgericht - Familiengericht - O anhängigen Hauptsacheverfahren (Az. 5 F ...) hat das Gericht durch Beweisbeschluss vom 19. Oktober 2016 die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens zu der Frage angeordnet, ob das Wohl des betroffenen Kindes J in der Obhut der Eltern gefährdet ist. Zur Sachverständigen hat das Gericht Frau Dipl. Psych. W bestellt. Hinsichtlich der Einzelheiten nimmt der Senat auf den Beweisbeschluss Bezug (Bl. 5 - 8 der Akte).
Dies Sachverständige hält die Einbeziehung weiterer Personen aus dem Umfeld in die Begutachtung für sinnvoll. Zur Begründung führt sie aus, dass angesichts des Umstandes, dass die Kindeseltern ihre Mitwirkung an der Begutachtung verweigert haben, zusätzliche fremdanamnestischen Angaben von Bedeutung seien.
Die Kindeseltern verweigern ausdrücklich die vom Familiengericht ange-forderten Schweigepflichtsentbindungserklärung.
Das Verfahren hat folgenden Hintergrund:
Am 18. Juli 2016 wurde J auf eigenen Wunsch hin, gegen den Willen der Eltern, vom Kreis O in Obhut genommen.
J äußerte in dem Verfahren, sie habe sich von der Kindesmutter in hohem Maße unter Druck gesetzt und massiv kontrolliert gefühlt. Sie habe sich von der Kindesmutter genötigt gefühlt, sich bei Ärzten kränker darzustellen, als sie tatsächlich ist. J selbst fühlt sich gesund. Es wurden bei J eine Vielzahl von Krankheiten, wie Rheuma, Asthma, Glasknochenkrankheit und eine Blutererkrankung diagnostiziert. Sie nutzte außerhalb des elterlichen Hauses einen Rollstuhl. Insbesondere hat sie stets in Begleitung einer Schulbegleitung die Schule besucht. Nachmittags und zuhause hatte sie sich dagegen frei bewegen dürfen und auch haushaltliche Pflichten zu erfüllen. Sie gab an, sie würde sich zuhause um die kleineren Geschwister kümmern und zum Beispiel auch Einkäufe ins Haus tragen. Es seien zahlreiche Medikamente verordnet worden, die sie jedoch niemals einnehmen würde. Die Mutter habe dazu erklärt, J sei ja kein Versuchskaninchen. Als J geäußert habe, dass sie zu ihrer älteren Schwester ziehen wolle, habe die Mutter angekündigt, sie in einer psychiatrischen Einrichtung geschlossen unterzubringen.
J berichtete auch, dass ein jüngerer Bruder zuhause viel Ärger bekommen hätte, nachdem er beim Arzt geäußert hätte, dass ihm nichts wehtue.
Mit Schreiben vom 19. Juli 2016 (Blatt 21 Akte Amtsgericht O, Az. 5 F ...) meldete Frau T als Ergotherapeutin von J eine Kindeswohlgefährdung. Auf die Meldung vom 19. Juli 2016 wird Bezug genommen. Das Kind J berichtete gegenüber einer Mitarbeiterin der Lebenshilfe O, die seit Herbst 2014 einmal wöchentlich im Rahmen eines Hausbesuchs als Ergotherapeutin in der Familie B zur Behandlung von J eingesetzt ist, dass sie von ihrer Mutter aufgefordert worden sei, in die Beantragung einer Pflegestufe einzuwilligen und sich bei der Begutachtung entsprechend zu verhalten (Bericht über die Kindeswohlge-fährdung vom 19. Juli 2016, Blatt 21 - 25 der Akte Amtsgericht O, 5 F ...).
In dem J betreffenden Verfahren (Amtsgericht O, Az. 5 F ...) wurde auch die Amtsärztin Dr. H als Zeugin gehört. Diese hatte die Schulbegleitung bewilligt und im Rahmen des Bewilligungsverfahrens J untersucht. Im Raum stand eine Verdachtsdiagnose der Gefahr einer Querschnittslähmung. Es fehlten Diagnoseberichte, die auch auf Nachfrage nicht vorgelegt wurden. Frau Dr. H besprach mit den Eltern auch die Verschreibung des starken Schmerzmittels Tramal. Hier bat sie die Eltern um Überprüfung bzw. um Schweigepflichtsentbindung der Ärzte, damit die Zeugin die Nachfragen bei den Ärzten selber hätte vornehmen können. Eine Schweigepflichtsentbindung wurde nicht erteilt. Die Zeugin berichtet von einem auffäll...