Ein typischer Einwand gegen ein Sachverständigengutachten ist, dass dieses falsche Tatsachen zugrunde legt. Zwar ist es grundsätzlich anerkannt, dass der Sachverständige selbst Anknüpfungstatsachen ermitteln kann. Allerdings ist es notwendig, dass der Sachverständige nachvollziehbar deutlich macht, aus welchen Erwägungen er welche Anknüpfungstatsachen zugrunde legt.
Es ist besonders darauf zu achten, dass zwischen den Verfahrensbeteiligten streitige Tatsachen im Gutachten nicht ohne objektive Beweismittel oder eigene konkreten Erkenntnisse des Sachverständigen von diesem als wahr unterstellt werden. Nicht verwertbar sind Schlussfolgerungen, die der Sachverständige aus Anknüpfungstatsachen zieht, die entweder nicht unstreitig oder nicht hinreichend belegt sind. Dies kommt in der Praxis insbesondere dann vor, wenn z.B. nicht hinreichend belegte psychiatrische Diagnosen zulasten eines Elternteils zugrunde gelegt werden. Im Zweifelsfall sollte der Sachverständige nachfragen und das Gericht die zugrunde liegenden Tatsachen entweder vorgeben oder ergänzend im Wege der Beweisaufnahme ermitteln. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es häufig vorkommt, dass sich die Bewertung des Sachverständigen im Ergebnis auch beim Wegfall einzelner Anknüpfungstatsachen nicht ändert.
ee) Fachliche Mängel
(1) Verwendete Untersuchungsmethoden
In erster Linie ist es dem Sachverständigen überlassen, auf welche Art und Weise er sein Gutachten erstellt und welche Methoden bzw. standardisierte Verfahren er einsetzt. Allerdings gehört es zur Nachvollziehbarkeit des Gutachtens, dass dies hinreichend dokumentiert und erklärt wird.
Dem Sachverständigen stehen die Auswahl der Methoden und die Bestimmung des Umfangs der Methoden allein verantwortlich zu. Er ist jedoch insoweit gebunden, als dass sich seine Vorgehensweise auf den Stand der Wissenschaft zu beziehen hat. Hierzu gehört es, Arbeitshypothesen zu den einzelnen Fragestellungen zu formulieren und zu prüfen. Die Methoden müssen zur Überprüfung der gerichtlichen und der daraus abgeleiteten psychologischen Fragen geeignet sein und über eine Zufallswahrscheinlichkeit hinaus brauchbare Informationen liefern. Bei der Begutachtung soll der Sachverständige die beste verfügbare Methode auswählen. Diese muss auch für die zu explorierende Per son geeignet sein. Im Endeffekt obliegt es aber dem Ermessen des Sachverständigen, welche Methode er einsetzt, da es in der Psychologie bisher noch keine generalisierenden Theorien, Methoden und standardisierte Verfahren gibt, die jedem Einzelfall gerecht werden würden.
Folgende psychologisch relevante und erprobte diagnostische Methoden haben sich bei der familienpsychologischen Begutachtung bewährt: Aktenstudium, Gespräche, Interviews, Exploration, Verhaltensbeobachtungen und testpsychologische Untersuchungen. Wissenschaftlich anerkannte psychologische Tests müssen zuverlässig, valide und objektiv sein. Berücksichtigt werden muss dabei, dass nur begrenzt standardisierte Verfahren für den Zweck der familienpsychologischen Begutachtung vorliegen. Standardisierte Testverfahren, z.B. Family-Relation-Test (FRT), Familien-Identifikations-Test (FIT), Sorge- und umgangsrechtliche Testbatterie (SURT), Strukturiertes Interview zur Erfassung der Kind-Eltern-Interaktion (SKEI), Eltern-Belastungs-Screening zu Kindeswohlgefährdung (EBSK) sind bevorzugt anzuwenden, soweit sie für die Beantwortung der psychologischen Fragestellungen effektiv sind. Testverfahren für sich alleine können die individuelle Beurteilung nicht ersetzen und allein keine sachverständige Empfehlung begründen. Die zum Teil vorgebrachte Forderung, nur Daten zugrunde zu legen, die Ergebnis eines objektiven Messverfahrens sind, ist wissenschaftlich wohl nicht zutreffend. Besondere Bedeutung hat die Verhaltens- und Interaktionsbeobachtung. Allerdings gibt es nur wenige standardisierte Methoden für strukturierte Interaktionsbeobachtungen; soweit diese allerdings vorhanden sind, sind sie bevorzugt anzuwenden.
In der Praxis werden häufig auch nicht strukturierte Interaktionsbeobachtungen durchgeführt. Eine empirische Absicherung ist dort nicht gegeben. Trotzdem kann diesen der Erkenntniswert nicht abgesprochen werden.
Wissenschaftlicher Standard ist ein multimodales Vorgehen, d.h., das Gutachten soll nicht auf einer einzigen, sondern auf mehreren voneinander unabhängigen Datenquellen beruhen (z.B. Exploration, Verhaltensbeobachtung, unterschiedliche Tests, Akteninhalte).
In der familiengerichtlichen Praxis ist es ratsam, sich bei Zweifeln vom Sachverständigen die einzelnen verwendeten Untersuchungsmethoden und die Gründe für deren Anwendung erläutern zu lassen. Projektive Verfahren sind wissenschaftlich nicht zuverlässig. Sie können aber zu weiteren Hypoth...