Im Urteil des BGH in Folge der Beanstandung der Bedarfsbemessung nach der Drittelmethode durch das BVerfG (siehe Anmerkung 1b zu § 1578 BGB) heißt es: Bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit nach § 1581 BGB sind auch weitere Umstände zu berücksichtigen, die nicht bereits Einfluss auf die Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen gehabt haben.
Der eigene angemessene Unterhalt darf nicht geringer sein als der an den Unterhaltsberechtigten zu leistende Betrag. Übersteigt der Bedarf des Unterhaltsberechtigten den dem Unterhaltsverpflichteten verbleibenden Betrag, sind zugleich der Unterhalt des Berechtigten und der individuelle Selbstbehalt des Verpflichteten zu kürzen (relativer Mangelfall). Den individuellen Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen hat der BGH in seiner früheren Rechtsprechung, zu der er zurückkehrt, als die "Kehrseite" des Unterhaltsbedarfs des Berechtigten behandelt und den angemessenen Unterhalt i.S.v. § 1581 BGB, bei dessen Gefährdung die Billigkeitserwägung einzusetzen hat, mit dem Unterhaltsbedarf des Berechtigten nach den ehelichen Lebensverhältnissen gleichgesetzt. Erst wenn für den Unterhaltspflichtigen die Untergrenze seines eigenen angemessenen Selbstbehalts erreicht ist, d.h. im absoluten Mangelfall, wirkt sich dies allein auf den Unterhalt des Unterhaltsberechtigten aus. Dann sind die Ansprüche der Unterhaltsberechtigten entsprechend der in § 1609 BGB geregelten Rangfolge und bei Gleichrang anteilig zu kürzen.
Wegen ihres ersten Rangs sind auch nachehelich geborene minderjährige oder privilegiert volljährige Kinder vorrangig zu berücksichtigen.
Auch weitere Unterhaltsverpflichtungen, insbesondere für einen neuen Ehegatten oder eine nichteheliche Mutter nach § 1615l BGB, sind nach ihrem Rang im Rahmen der gebotenen Billigkeitsabwägung als sonstige Verpflichtungen zu berücksichtigen.
Die Darlegungs- und Beweislast für seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit wegen sonstiger Verpflichtungen durch Hinzukommen weiterer Unterhaltsberechtigter trägt der Unterhaltsverpflichtete.
Diese Grundsätze bedeuten für den Unterhalt der geschiedenen Ehefrau Folgendes:
Bei Gleichrang des Unterhalts des geschiedenen Ehegatten mit neuen Unterhaltsverpflichtungen ist, um zu vermeiden, dass dem Unterhaltspflichtigen weniger verbleibt als dem Unterhaltsberechtigten (relativer Mangelfall), der Unterhaltsanspruch nach Billigkeit zu kürzen. Aus revisionsrechtlicher Sicht ist nicht zu beanstanden, wenn die Instanzgerichte die wechselseitige Beeinflussung der gleichrangigen Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten, des neuen Ehegatten oder eines nichtehelichen Elternteils nach § 1615l BGB im Rahmen der nach § 1581 BGB gebotenen Billigkeit im Wege der Dreiteilung des Gesamteinkommens aller Beteiligten lösen. Beim Gesamteinkommen sind auch die ehelichen Lebensverhältnisse nicht prägende Einkünfte aus Karrieresprung und Splittingvorteil zu berücksichtigen.
Der im Rahmen der Billigkeitserwägungen zu berücksichtigende Unterhaltsbedarf des neuen Ehegatten ist abhängig vom Unterhalt des geschiedenen Ehegatten zu bemessen. Synergieeffekten durch Zusammenleben in der neuen Ehe kann durch Kürzung der Mittel für die neuen Ehegatten um je 10 % und entsprechende Erhöhung der Mittel für den geschiedenen Ehegatten Rechnung getragen werden. Im absoluten Mangelfall kann der Selbstbehalt aus diesem Grund bis zum Existenzminimum herabgesetzt werden.
Bei Vorrang des Anspruchs des neuen Ehegatten gegenüber dem des geschiedenen Ehegatten führt die Dreiteilung aller vorhandenen Einkünfte zunächst lediglich zu einer annähernden Angleichung aller Lebensumstände der geschiedenen und der neuen Ehefrau.
Bei Nachrang des Anspruchs des neuen Ehegatten gegenüber dem des geschiedenen Ehegatten ist jener nicht als sonstige Verbindlichkeit im Rahmen von § 1581 BGB zu berücksichtigen. In solchen Fällen ist der Unterhaltspflichtige regelmäßig in Höhe des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen leistungsfähig.
Im Einzelfall erlaubt die nach § 1581 BGB gebotene Billigkeitserwägung auch davon abweichende Ergebnisse, die neben dem Rang auf individuelle Umstände gestützt werden können, etwa darauf, ob der Mindestbedarf eines Unterhaltsberechtigten gedeckt ist.
Der BGH setzt im entschiedenen Fall bei der Feststellung der Leistungsfähigkeit vom Einkommen des Verpflichteten den um das hälftige Kindergeld herabgesetzten Mindestkindesunterhalt ab und geht von einem Mindestbetrag seines angemessenen Selbstbehalts entsprechend der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1.1.2011) von 1.050 EUR aus.