1. a) Zur Anwendung des Günstigkeitsprinzips in Fällen, in denen die Abstammung des Kindes gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB alternativ nach deutschem Sachrecht oder nach einem ausländischen Sachrecht bestimmt werden kann. b) Jedenfalls dann, wenn eine Vaterschaftsanerkennung durch den biologischen Vater nicht erfolgt ist und auch nicht unmittelbar bevorsteht, ist eine aus dem ausländischen Sachrecht folgende Vaterschaftsfiktion gegenüber einer aus dem deutschen Sachrecht folgenden rechtlichen Vaterlosigkeit für das Kind auch dann günstiger, wenn die biologische Vaterschaft des betreffenden Mannes unwahrscheinlich oder nicht gegeben ist. (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.1.2016 – 20 UF 133/15)
  2. Bei der Begründung des gewöhnlichen Aufenthaltes i.S.d. Art. 1 des Minderjährigenschutzabkommens (MSA) handelt es sich um einen rein faktischen Vorgang. Bei längerer Verweildauer des Kindes und seiner vollständigen Eingliederung in seine soziale Umwelt kann auch gegen den Willen des in seinem Sorgerecht verletzten Elternteils der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes im Ausland (hier: Türkei) begründet werden. b) Da das Minderjährigenschutzabkommen den Grundsatz der perpetuatio fori nicht kennt, kommt es für die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes und somit der internationalen gerichtlichen Zuständigkeit nach Art. 1 MSA nicht auf den Zeitpunkt der Stellung des Sorgerechtsantrags, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts an. (OLG Bremen v. 22.12.2015 – 4 UF 183/15)
  3. Zur Anerkennung einer türkischen Sorgerechtsentscheidung, zu dem auf die Zuweisung der elterlichen Sorge anwendbaren Recht und den Wirkungen einer in Deutschland abgegebenen gemeinsamen Sorgerechtserklärung vgl. AG Pankow/Weißensee, Beschl. v. 12.5.2015 – 15 F 8543/14, FamRZ 2016, 145 m. krit. und instruktiver Anm. Dutta.
  4. Erbschaftsansprüche i.S.d. § 15 der Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrags zwischen der Türkischen Republik und dem Deutschen Reich vom 28.5.1929 liegen nur vor, wenn das materielle Erbrecht der Parteien Gegenstand des Rechtsstreits ist; der Rechtsstreit über diese Ansprüche muss dazu führen, dass über eine zwischen den Parteien streitige Erbenstellung oder erbrechtliche Berechtigung eine verbindliche Entscheidung getroffen wird (BGH, Urt. v. 21.10.2015 – IV ZR 68/15, FamRZ 2016, 122 m. Anm. Gottwald = MDR 2016, 35).

Autor: Gabriele Ey , Vorsitzende Richterin am OLG Köln

FF 3/2016, S. 128 - 132

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