Fall:
Ein Paar lebt in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Nach zwei Jahren bekommt die Frau am 25.2.2013 ein Kind aus dieser Beziehung. Gut ein Jahr später am 1.5.2014 endet die nichteheliche Lebensgemeinschaft, der Mann verlässt seine Freundin.
Die Mutter, die keiner beruflichen Tätigkeit nachgeht, geht daraufhin zum örtlichen Jugendamt und macht Ansprüche für sich und das Kind geltend.
Rechtsanwältin X wird im Dezember 2014 beauftragt. Da jedoch Unterhalt für das Kind und die Mutter in geringerem Umfang gezahlt wird, schreibt sie den Mann erst im November 2015 an und verlangt umfassend Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse.
Im Dezember 2015 macht die Rechtsanwältin dann einen Antrag auf Betreuungsunterhalt beim Familiengericht anhängig. Hierbei wird auch Unterhaltsrückstand für die Zeit ab 1.5.2014 geltend gemacht.
Geht das?
Grundsätzlich hat die Mutter natürlich einen Anspruch auf eigenen Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB, ähnlich der ehelichen Mutter nach § 1570 BGB. Dieser Unterhaltsanspruch gilt auch uneingeschränkt für den Zeitraum von drei Jahren, also bis zum Februar 2016, grundsätzlich auch rückwirkend nach § 1615l BGB i.V.m. 1613 BGB.
Voraussetzung für die Durchsetzung des Betreuungsunterhaltsanspruchs ist allerdings die Aufforderung zur Auskunftserteilung, eine Inverzugsetzung oder die Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs. Der BGH hat die grundlegende Frage 2013 entschieden, dass nämlich § 1615l Abs. 3 Satz 1 BGB i.V.m. § 1613 BGB eine Rechtsgrundverweisung darstellt, so dass die Voraussetzungen des § 1613 in jedem Fall gegeben sein müssen.
Was den Unterhaltsrückstand anbelangt, stellt sich die Frage, ob das Jugendamt überhaupt befugt war, neben den Ansprüchen auf Kindesunterhalt im Rahmen der Beistandschaft auch Ansprüche der Mutter geltend zu machen.
Das Jugendamt ist als Beistand nach § 1712 BGB nicht befugt, auch Ansprüche für die nichteheliche Mutter geltend zu machen. Das Jugendamt kann nur Ansprüche des Kindes vertreten. Insofern besteht eine Kompetenzüberschreitung.
Dies hat zur Folge, dass die Ansprüche ab 1.5.2014 bis zum Oktober 2015 als Unterhaltsrückstand nicht mehr geltend gemacht werden können. Möglicherweise macht sich das Jugendamt damit schadensersatzpflichtig.
Soweit sich die Rechtsanwältin darauf verlässt, dass der Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB durch das Jugendamt geltend gemacht worden ist, dürfte sie damit nicht durchkommen.
Für die Anwältin ergibt sich im Übrigen ein Haftungsproblem, weil sie sich auf die Inverzugsetzung durch das Jugendamt verlassen und erst im November 2015 den Unterhalt geltend gemacht hat.
Fallvariante:
Die Mutter ist minderjährig.
Insofern ändert sich nach herrschender Meinung nichts.
Soweit das Jugendamt über die Beratung hinaus tätig wird, den Vater z.B. anschreibt und meint ihn in Verzug setzen zu können, liegt ein Fall der Kompetenzüberschreitung vor, der zu Haftungsproblemen führen dürfte. Soweit sich ein Rechtsanwalt auf die Tätigkeit des Jugendamtes verlässt, ist er verlassen. Er macht sich damit selbst schadensersatzpflichtig und hat ein Haftungsproblem.
Autor: Klaus Schnitzler , Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Euskirchen
FF 3/2016, S. 117