Ab welchem Alter der erklärte Kindeswille insbesondere bei einer Umgangsverweigerung mitbestimmend ist, hängt vom Woher (betrifft den Bedürfnishintergrund), dem Wohin (betrifft die Zielorientierung, einen bestimmten Zustand zu erreichen oder beizubehalten), Alter, Entwicklungsstand, von der Persönlichkeitsentwicklung des jeweiligen Kindes und auch vom Konfliktniveau der Eltern (insbesondere bei seelischer und körperlicher Gewalt) ab.
Dabei hat auch der zielorientierte, stabile, intensive und autonome Wille des Kindes, der durch kindgemäße Gründe gebunden vorgetragen wird, keinen absoluten Vorrang. Vielmehr hat eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Kindes und den grundgesetzlich geschützten Rechten der Eltern (Art. 6 GG) sowie dem Interesse des umgangsberechtigten Elternteils zu erfolgen.
Der Gesichtspunkt der Selbstbestimmung des Kindes tritt insbesondere dann in den Hintergrund, wenn angesichts des Alters des Kindes davon auszugehen ist, dass für eine tragfähige selbstbestimmte Entscheidung das erforderliche Maß an Reife fehlt.
Regelmäßig bildet der Kindeswille jedenfalls vor Vollendung des zehnten bzw. des zwölften Lebensjahres nach üblicher Rechtsprechung keine zuverlässige Entscheidungsgrundlage. Allerdings gibt es keine "hundertprozentige" starre Altersgrenze; vielmehr sind die Gesamtumstände des Einzelfalles maßgebend, zumal das BVerfG bei einem über acht Jahre alten und bei einem elfjährigen Kind und das AG Rotenburg/W. auch bei einem Kind von neun Jahren dessen Willen schon für beachtlich angesehen haben.
Das OLG Bamberg hat den Willen eines bald 15 Jahre alten Kindes für beachtlich angesehen. Auch das OLG Hamm vertritt die Rechtsansicht, dass "bei einem fünfzehnjährigen Kind, das im Zuge langjähriger Auseinandersetzungen der Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts durchgehend den persönlichen Umgang mit dem Vater ernsthaft und nicht fremdbestimmt verweigert hat, im Regelfall der Ausschluss des persönlichen Umgangs bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Kindes gerechtfertigt ist."
Ebenso hat das OLG Brandenburg entschieden, dass bei entgegenstehendem Willen eines vierzehnjährigen Kindes der Umgang bis zu seiner Volljährigkeit ausgeschlossen werden kann. Der Kindeswille ist allerdings nur dann beachtlich, wenn er auf einem tatsächlichen Erleben des Kindes beruht. Dadurch soll verhindert werden, dass der Kindeswille von einem Elternteil manipuliert und im Ergebnis nur vorgeschoben wird.
Daher hat der ernsthaft und auf subjektiv beachtliche oder verständliche Gründe gestützte Wille eines auf das 14. Lebensjahr zugehenden Kindes, mit dem umgangsberechtigten Elternteil auch keinen begleiteten Umgang mehr zu pflegen, erhebliches Gewicht und kann im Einzelfall einen längerfristigen Umgangsausschluss rechtfertigen.
Die wiederholte Ablehnung der verständig und konsequent geäußerten Wünsche des Kindes durch das Familiengericht liegt grundsätzlich nicht in dessen Wohl. Denn ein gegen den ernsthaften Widerstand des Kindes erzwungener Umgang kann unter Umständen mehr Schaden verursachen als nutzen.
Aus familienpsychologischer Sicht ist anzumerken, dass durch die Rechtsprechung dem zielorientierten, stabilen, intensiven und autonomen Willen vor allem des jüngeren Kindes unter acht Jahren nach wie vor viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Besonders gravierend zeigt sich die Nichtbeachtung bei einem nicht autonomen Willen des Kindes, der durch Beeinflussungen, Manipulationen und Suggestionen u.U. schon längst zu einem festen und derzeit nicht veränderbaren inneren Arbeitsmodell der Ablehnung und Verweigerung herangewachsen ist, bei dem auch eine Umgangspflegschaft nach § 1684 BGB und eine Umgangsbegleitung für das Kind keine Änderung bewirken werden.
Eine verweigernde und ablehnende Haltung des Kindes gegen den umgangsbegehrenden Elternteil kann allerdings auch durch eigene unangenehme, belastende oder ängstigende Erlebnisse des Kindes mit dem umgangsberechtigten Elternteil zustande gekommen sein (erlebnisgestützter Wille des Kindes, was von den Anhängern des PAS-Modells ignoriert, zumindest aber meist bagatellisiert wird).
Dabei geht es aus psychologischer Sicht nicht darum, dem Kind eine u.U. überfordernde Entscheidungsbefugnis zuzubilligen, sondern dem Kind das Recht einzuräumen, als Subjekt des Verfahrens und Beteiligter nach § 7 FamFG seine Meinung und damit seinen Willen frei äußern zu dürfen.
Zu bedenken ist auch, dass das Brechen eines Kindeswillens nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Selbstwirksamkeit des Kindes führt, sondern das Kind kaum veranlassen wird, den Umgangsberechtigten mehr zu lieben und wertzuschätzen.
Im Übrigen zeigt die Scheidungsforschung seit Jahren, dass viele Kinder, die ab einem Alter von zwölf Jahren und auch schon früher durch die Gerichte oder Jugendbehörden zum Umgang gezwungen wurden, ab der Volljährigkeit den Kontakt zum umgangsbegehrenden Elternteil abbrechen.
Dennoch wird ein Umg...