Ein letzter Gedanke noch: Zufriedenheit mit den gesetzlichen Scheidungs- und Trennungsfolgen, auch wenn man sie fortlaufend reformiert, will sich nicht einstellen. Die Regelungen werden den Beteiligten von einem wohlmeinenden Gesetzgeber gleichsam übergestülpt. Der Standesbeamte pflegt zwar vor dem Ja-Wort des Brautpaars einige salbungsvolle Sätze zu Sinn und Bedeutung der Ehe zu verlieren, doch das Kleingedruckte – sprich: die einschlägigen §§ des BGB – werden nicht vorgelesen, und würden sie vorgelesen, so würden sie nicht verstanden, und würden sie verstanden, dann erschlösse sich dem Paar gleichwohl nicht das real praktizierte deutsche Familienrecht.
Wenn es dann zu Trennung und Scheidung kommt, ist die Überraschung oft groß und es beginnt der Kampf um die Handhabung von Regeln, die schwerlich auf den Willen der Beteiligten gegründet werden können. Das schon deshalb nicht, weil das Eherecht, das zur Zeit der Scheidung gilt, ein völlig anderes zu sein pflegt als das Eherecht zur Zeit des Ja-Worts. Ich kann nicht begreifen, dass man diesen wichtigen Gesichtspunkt der Privatautonomie bei der Rückwirkungsfrage außer Acht lässt.
Wäre es nicht besser – so könnte man fragen –, wenn man die Beteiligten dazu ermunterte, schon bei Begründung einer Ehe oder einer sonstigen Lebensgemeinschaft die Folgen einer späteren Trennung selbst zu regeln, am besten außerhalb des volatilen Eherechts, also durch schuldrechtliche Verträge, bei denen es noch Pflichtverletzung, Verschuldenszurechnung und Schadensersatz gibt?
In der vorigen Woche erhielt ich einen Brief von einem Kollegen aus China. Dieser berichtet, in seinem Land vereinbarten manche Ehepaare Treueverträge, die vorsehen, dass ein Partner im Fall der Aufnahme von ehewidrigen Beziehungen dem anderen eine größere Geldsumme zu zahlen hat. Der Kollege fragt, wie das deutsche Recht zu solchen Verträgen steht. Ich arbeite noch an der Antwort. Schuldrecht statt Eherecht, wenn in immer kürzeren Phasen sich nicht nur die ehelichen Lebensverhältnisse wandeln, sondern auch das Eherecht selbst sein Gesicht verändert und seine gesellschaftliche Akzeptanz verliert – ein faszinierender Gedanke, der allerdings, so denke ich, über das Jahr 2014 hinausweist.
Dieser Beitrag beruht auf einem Vortrag, den der Verfasser im November 2011 auf der Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht in Darmstadt gehalten hat.
Autor: Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schwab , Regensburg