Einführung
Das Thema ist brisant. Denn bei psychischer Erkrankung eines Elternteils oder der Eltern entstehen Probleme bei der Sorgerechts- und Umgangsrechtsausübung: Die Erkrankung kann in diesem Fall Einfluss auf die Erziehungsfähigkeit des erkrankten Elternteils oder der Eltern haben. Um Missverstände von vornherein zu vermeiden: Die Erkrankung muss aber nicht stets die Erziehungsunfähigkeit des erkrankten Elternteils oder der Eltern zur Folge haben. Maßgeblich ist immer der jeweilige Einzelfall. Es kommt daher auf die betroffene Familie an.
Welche Regelungsmöglichkeiten bei Eintritt einer psychischen Erkrankung eines Elternteils oder der Eltern bestehen, soll anhand des am 19.5.2013 in Kraft getretenen Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 16.4.2013 dargestellt werden, das die Vorschriften der §§ 1671 ff. BGB wesentlich geändert hat.
Nach einer Recherche im Internet leben in der Bundesrepublik Deutschland schätzungsweise 3 Millionen Kinder und Jugendliche bei psychisch kranken Eltern:
Der 13. Deutsche Bundestag ging davon aus, dass "Regelungen der elterlichen Sorge bei … psychisch kranken Eltern im Wesentlichen aufgrund dreier Normen getroffen werden: §§ 1666, 1673 Abs. 1 und 1674 Abs. 1 BGB. Deren Anwendungsbereiche überschneiden sich, wie sich noch zeigen wird."
Die Angabe dieser Normen ist nicht vollständig. Hinzu treten noch die Vorschriften der §§ 1671, 1678, 1680 und 1696 BGB. Das Regelungssystem ist unübersichtlich und sehr kompliziert: Letztlich ist danach zu fragen, ob der ausfallende Elternteil allein sorgeberechtigt oder mitsorgeberechtigt ist, ob er in einer intakten Ehe oder Lebensgemeinschaft bzw. in Trennung lebt, ob ein Fall des Ruhens der elterlichen Sorge vorliegt oder ein Sorgerechtsentzug in Betracht kommt.
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270.000 Mädchen und Jungen haben einen Elternteil, der an Schizophrenie erkrankt ist |
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1,23 Millionen haben Mütter oder Väter mit sog. affektiven Störungen und |
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bei 1,55 Millionen Minderjährigen leidet ein Elternteil an Angststörungen. 3.050.000 |
I. Gerichtliche Maßnahmen zur Regelung des Sorgerechts
Um das Thema "Die Regelung der elterlichen Sorge und des Umgangs bei psychischer Erkrankung der Eltern oder eines Elternteils im Rahmen des Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern" in den Griff zu bekommen, bietet es sich an, Fallgruppen zu bilden:
1. Regelungsmöglichkeiten bei mitsorgeberechtigten zusammenlebenden Eltern im Fall des Ruhens der elterlichen Sorge
Üben die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam aus und erkrankt ein Elternteil psychisch so gravierend, dass er aufgrund seiner Erkrankung dauerhaft geschäftsunfähig wird (§ 104 Nr. 2 BGB), dann muss nicht in das Sorgerecht eingegriffen werden, wenn der gesunde Elternteil in der Lage ist, sich um das Kind hinreichend zu kümmern. Denn in diesem Fall ruht die elterliche Sorge des erkrankten Elternteils aus rechtlichen Gründen gemäß § 1673 Abs. 1 BGB. Die Rechtsfolge des Ruhens der elterlichen Sorge ergibt sich aus § 1675 BGB. Während des Ruhens der elterlichen Sorge ist der verhinderte Elternteil nicht berechtigt, die elterliche Sorge auszuüben. Das Ruhen der elterlichen Sorge führt mithin nicht dazu, dass die elterliche Sorge verloren geht; der erkrankte Elternteil ist lediglich nicht berechtigt, die elterliche Sorge auszuüben, d.h., der erkrankte Elternteil ist und bleibt weiterhin noch zur Sorge berechtigt; dem Bestand nach existiert die gemeinsame elterliche Sorge weiter. Dies unterscheidet ihn von einem Elternteil, dem die elterliche Sorge nach den §§ 1666, 1666a BGB entzogen wurde.
Da das Ruhen der elterlichen Sorge des erkrankten Elternteils bei einem rechtlichen Hindernis von Gesetzes wegen eintritt, bedarf es keiner gerichtlichen Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge. Allerdings kann der andere mitsorgeberechtigte Elternteil aus Gründen der Rechtssicherheit eine gerichtliche Entscheidung begehren, dass das Ruhen der elterlichen Sorge des erkrankten Elternteils deklaratorisch festgestellt wird. Durch den Feststellungsbeschluss kann der nicht verhinderte Elternteil nachweisen, dass er kraft Gesetzes für den Zeitraum der Verhinderung des psychisch erkrankten Elternteils die elterliche Sorge allein ausübt. Fällt das Rechtshindernis weg, d.h., der vorher erkrankte Elternteil gesundet wieder, erlangt der zuvor erkrankte Elternteil die elterliche Sorge kraft Gesetzes wieder zurück.
Tritt das Ruhen der elterlichen Sorge bei einem dauerhaft erkrankten Elternteil ein, so übt der andere Teil die elterliche Sorge allein aus. Der andere Elt...