Am 1.5.2013 tritt das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, heimliche Geburten außerhalb medizinischer Einrichtungen sowie Kindesaussetzungen und -tötungen möglichst zu verhindern.
Zu diesem Zweck wird Frauen, die ein Kind zur Welt bringen, nun eine zeitlich beschränkte Geheimhaltung ihrer Identität gewährt.
Die vertrauliche Geburt steht Frauen offen, die sich nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz in Beratung befinden. Der Beratungsstelle muss die Mutter ihre Identität preisgeben. Die dort geprüfte Identität wird dann mit weiteren Informationen in einem verschlossenen Umschlag an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben übermittelt. Mit Vollendung des 16. Lebensjahres hat das Kind ein Einsichtsrecht in die hinterlegten Dokumente. Allerdings kann die Mutter die Einsichtnahme verhindern, indem sie Belange erklärt, die dem Einsichtsrecht entgegenstehen. Ob das Interesse der Mutter an einer weiteren Geheimhaltung ihrer Identität das Interesse des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung tatsächlich überwiegt, kann das Kind durch das Familiengericht prüfen lassen.
Mit der Einführung einer vertraulichen Geburt hat sich der Gesetzgeber zugleich gegen die Wahrung der Anonymität der Mutter entschieden, die in der Diskussion um Babyklappen, Kindesaussetzungen und Kindestötungen als probates Mittel zum Schutz von Mutter und Kind erwogen wird. Die Entscheidung gegen die Einführung einer anonymen Geburt wird nicht zuletzt mit Blick auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK getroffen worden sein: Dessen Schutzbereich umfasse das Recht auf Achtung des Privatlebens, und damit als Teil des Privatlebens des Kindes und des späteren Erwachsenen, auch die Kenntnis von Einzelheiten über die persönliche Identität und das vitale Interesse, für die Wahrheitsfindung notwendige Informationen über wesentliche Aspekte der persönlichen Identität zu erfahren, wozu die Identität der Eltern gehöre.
Zugleich wurde am bisherigen Abstammungsgrundsatz festgehalten: Die Gebärende wird auch bei einer vertraulichen Geburt rechtliche Mutter des Kindes. Ihre elterliche Sorge ruht lediglich, § 1674a BGB. Sie lebt wieder auf, wenn die Mutter die für den Geburtseintrag notwendigen Angaben macht. Ob hieran im Zuge einer Reform des Abstammungsrechts festgehalten werden sollte, wird zu diskutieren sein, nicht nur unter dem Aspekt moderner Reproduktionsmöglichkeiten, sondern auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die rechtliche Abstammung vom Vater keineswegs mit der leiblichen Abstammung verknüpft ist.
Zur anonymen Geburt, zur Abgabe eines Kindes und zu Babyklappen verhält sich das Gesetz nicht. Zwar hat der Deutsche Ethikrat im Jahr 2009 in einer ausführlichen Stellungnahme die Aufgabe der anonymen Kindesabgabe und der Möglichkeit der anonymen Geburt gefordert. Die politische Entscheidung wird gleichwohl hinzunehmen sein: Die Beweggründe, die Frauen zu einer anonymen Kindesabgabe führen, sind divers und die Gruppe der betroffenen Frauen ist sehr heterogen; sowohl in Bezug auf Alter, Bildung, wirtschaftliche Situation und Schichtzugehörigkeit. Das erhobene Datenmaterial ist zudem nur bedingt belastbar, da mit hohen Dunkelziffern gerechnet werden muss. So ist es nachvollziehbar, dass von einem kodifizierten Verbot anonymer Geburten und Babyklappen Abstand genommen wurde.
Autor: Eva Becker
Eva Becker, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin
FF 4/2014, S. 134 - 135