Nach § 42a Abs. 1 SGB VIII ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen vorläufig in Obhut zu nehmen, sobald dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Diese vorläufige Inobhutnahme ist der eigentlichen endgültigen Inobhutnahme vorgeschaltet. In der Phase der vorläufigen Inobhutnahme soll ein familiengerichtliches Verfahren zur Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge und zur Anordnung der Vormundschaft und Bestellung eines Vormunds noch nicht erfolgen. Die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers durch das Familiengericht geschieht erst unverzüglich nach Verteilung des Minderjährigen. Eine Vormundschaftsbestellung während der vorläufigen Inobhutnahme scheidet in der Regel aus.
Für die vorläufige Inobhutnahme eines unbegleiteten ausländischen Kindes oder Jugendlichen (§ 42a) ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält, soweit Landesrecht nichts anderes regelt, § 88a Abs. 1 SGB VIII. Für die vorläufige Inobhutnahme des unbegleiteten Minderjährigen und für die Leistungsgewährung an ihn ist der Zeitpunkt seines tatsächlichen Aufenthalts maßgebend. Dadurch bleiben die grenznahen Jugendämter weiterhin grundsätzlich für die erste Unterbringung und Versorgung der nach Deutschland einreisenden unbegleiteten Minderjährigen zuständig, es sei denn die Länder machen von dem Landesrechtsvorbehalt Gebrauch, den das Gesetz ihnen einräumt: "soweit Landesrecht nichts anderes regelt". Die Länder haben nunmehr auch die Möglichkeit, "die örtliche Zuständigkeit bestimmten, besonders geeigneten Jugendämtern zuzuweisen".
Umstritten ist, ob die Fachkräfte des ASD oder die Fachkräfte des Sachgebietes Vormundschaften hierfür zuständig sind. Das DIJuF spricht sich für die sachliche Zuständigkeit der Fachkräfte des Sachgebietes Vormundschaften aus, damit keine Kollision zwischen den Interessen des Jugendamtes als Vertretung des/der unbegleiteten Minderjährigen und als Behörde, die die maßgeblichen Entscheidungen im Hinblick auf die Altersfeststellung und Verteilung sowie die Durchführung von Maßnahmen und Gewährung von Leistungen für das Kind oder den/die Jugendliche(n) zu treffen hat, eintritt.
Die vorläufige Inobhutnahme und die Leistungsgewährung sind nach § 42a Abs. 1 S. 1 SGB VIII nicht von der bloßen Einreise der unbegleiteten Minderjährigen nach Deutschland abhängig, sondern maßgebend ist hierfür allein der Zeitpunkt der Feststellung der Einreise des unbegleiteten Kindes durch die deutschen Behörden.
Aufgrund der teilweise unkontrollierten Masseneinreise von Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2015 sind auch unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche in das Land gekommen, ohne dass sie von deutschen Behörden festgestellt worden sind. Lassen sich die unbegleitet minderjährigen Kinder oder Jugendlichen nach unbemerkter Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erstmalig in einem Bundesland registrieren, dann ist das Jugendamt des jeweiligen Bundeslandes örtlich zuständig, in dem die Registrierung erstmalig vorgenommen worden ist. Zu diesem Zeitpunkt lag dann eine unbegleitete Einreise vor; selbst dann, wenn die Familienmitglieder auf der Flucht auseinandergerissen worden sind und die Personen- und Erziehungsberechtigten zufällig in demselben Bundesland leben, in dem sich auch der Minderjährige erstmalig registrieren lässt. Aufgabe des Jugendamtes ist es nunmehr, während der vorläufigen Inobhutnahme festzustellen, ob sich eine mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Person im Inland oder Ausland aufhält, § 42a Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII. Sollte das der Fall sein, wirkt das Jugendamt auf eine Familienzusammenführung hin, §§ 42a Abs. 2 Nr. 2, 42b Abs. 4 Nr. 3 SGB VIII. Kommt es zu einer Familienzusammenführung, endet die vorläufige Inobhutnahme, § 42a Abs. 6 SGB III. Der vorläufige Bescheid i.S.d. § 39 Abs. 2 SGB X verliert seine Wirksamkeit und das Verfahren zur Verteilung unbegleiteter ausländischer Kinder und Jugendlicher tritt ein, § 42b SGB VIII.
Die vorläufige Inobhutnahme und Leistungsgewährung enden aber auch dann, wenn nach Vornahme der Kindeswohlprüfung festgestellt wird, dass das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen der Verteilung entgegensteht. Würde nach Einschätzung des Jugendamtes das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet, verbleibt die örtliche Zuständigkeit bis zur Volljährigkeit des entsprechenden Minderjährigen und bei entsprechendem Bedarf darüber hinaus beim erstaufnehmenden Jugendamt, §§ 88a Abs. 2 S. 2, 42a Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII. Die gleiche Rechtsfolge tritt ein, wenn das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen erfordert, §§ 88a Abs. 2 S. 2, 42a Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII oder der Gesundheitszustand des Kindes...