Interview mit Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz
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Heiko Mass
FF/Schnitzler: In diesem Jahr wird am 1.7.2017 das 40-jährige Jubiläum der umfassenden Ehe- und Familienrechtsreform aus dem Jahre 1977 gefeiert, die das gesamte Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht revolutionierte. Es ist angebracht, einen Rückblick zu wagen.
Wie fällt Ihr persönlicher Rückblick auf diese 40 Jahre Familienrechtsreform aus, auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich erfolgten Reformgesetze zum Unterhaltsrecht, zum Versorgungsausgleich und zum Zugewinnausgleich?
Maas: Angesichts grundlegender Veränderungen in der Gesellschaft und eines veränderten Verständnisses von Ehe und Familie war das Familienbild seit Ende der fünfziger Jahre einem beständigen Wandel unterworfen. Das Familienrecht hat diesen Wandel schrittweise begleitet und mitgestaltet.
Das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.6.1976 stellte einen ganz entscheidenden Schritt in Richtung Gleichberechtigung von Mann und Frau dar. Mit dieser Reform ist dem Gesetzgeber ein wichtiger Schritt gelungen, der die Beziehungen in Ehe und Familie auf eine moderne Grundlage gestellt hat und der unser Recht auch heute noch maßgeblich prägt.
Mit dem Gesetz wurde die Abkehr von dem bisherigen Leitbild der Hausfrauenehe eingeleitet. War die Ehe zuvor nach dem Gesetz davon geprägt, dass der Ehemann für den finanziellen Unterhalt der Familie zuständig war, während der Ehefrau die Führung des Haushalts und die Erziehung der Kinder oblag, galt fortan das Modell der partnerschaftlichen Ehe. So wurde die Haushaltsführung in der Ehe dem Einvernehmen der Ehegatten überlassen und ausdrücklich die Berechtigung beider Ehegatten zur Erwerbstätigkeit statuiert. Das war ein großer Fortschritt.
Der Gleichberechtigungsgedanke des Gesetzes kam zudem in den Änderungen des Namensrechts zum Ausdruck. Anders als zuvor konnten die Ehegatten seither auch den Geburtsnamen der Frau zum Ehenamen bestimmen.
Im Weiteren wurde das bei der Scheidung geltende Verschuldensprinzip aufgegeben. Die häufig belastende Erforschung von Eheverfehlungen und Versöhnungen war somit Vergangenheit. Die Scheidung wurde an das Scheitern der Ehe geknüpft. Dies hatte bedeutende Auswirkungen beispielsweise im Unterhaltsrecht.
Insoweit muss man die Leistung des Reformgesetzgebers von 1977 besonders würdigen. Die damalige Aufgabe des Verschuldensprinzips trug entscheidend dazu bei, das früher gerade im Unterhaltsrecht nötige "Waschen schmutziger Wäsche" vor den Gerichten im Scheidungsverfahren zu vermeiden.
Dies und die Konzeption des nachehelichen Unterhalts haben im Wesentlichen bis heute gehalten. Auch die nachträglich erfolgten Änderungen von 1986 und 2008 relativieren diesen Erfolg nicht. Im Gegenteil, zeigen diese Änderungen doch dadurch, dass sie die Bedeutung der Eigenverantwortung der Eheleute nach einer Scheidung betonen und damit ein Grundanliegen der Reform von 1977 aufgreifen, wie recht der Reformgesetzgeber von damals hatte. Die Eigenverantwortung der Eheleute nach einer Scheidung und die nacheheliche Solidarität, etwa wegen gemeinschaftlicher Kinder, gilt es immer wieder angemessen auszutarieren.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, Eltern, die nach Trennung oder Scheidung ihre Kinder im Wege eines erweiterten Umgangs oder eines Wechselmodells partnerschaftlich betreuen, auch im Unterhaltsrecht gerecht zu werden. Daran wird im BMJV mit Blick auf mögliche Reformen in der nächsten Wahlperiode aktuell gearbeitet.
Eine wesentliche Neuerung der Reform von 1977 war die Einführung des Versorgungsausgleichs, der die soziale Sicherung des Ehegatten, der in der Ehezeit die niedrigeren oder gar keine Anrechte erworben hat, wesentlich verbesserte. Leider war das Versorgungsausgleichsrecht dann im Laufe der Zeit zu einem unflexiblen Expertenrecht geworden. Die Strukturreform von 2009 hat insoweit zu einer Vereinfachung und Flexibilisierung des Versorgungsausgleichs geführt. Eine Reform war insbesondere auch deshalb notwendig, weil die Bedeutung der ergänzenden betrieblichen und privaten Altersvorsorge in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat, das alte Recht aber im Wesentlichen auf den Ausgleich der Regelversorgungen zugeschnitten war und daher häufig zu ungerechten Ergebnissen führte. Das neue Versorgungsausgleichsrecht ist von der Praxis insgesamt gut angenommen worden. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die Praxis noch stärker von der Möglichkeit Gebrauch macht, Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich zu schließen. Die neu geschaffenen Gestaltungsspielräume für die Ehegatten waren ein wesentliches Element der Reform und sollten von den Ehegatten und ihren Rechtsanwälten genutzt werden.
Der Zugewinnausgleich aus dem Gleichberechtigungsgesetz von 1957 hat sich bewährt. Er wurde 1977 nur in Randbereichen angepasst. 2009 mussten daher nur Gerechtigkeitsdefizite z.B. bei der Berücksichtigung des negativen Anfangsvermögens beseitigt werden. Auch sollte unredlichen V...