GG Art. 6 Abs. 2; BGB § 1684 Abs. 3 u. 4; FamFG § 26; FamGKG § 40 Abs. 1 § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3
Leitsatz
1. Ist der Ausschluss des persönlichen Umgangs eines Elternteils (hier: psychisch kranker und in seinem Sozialverhalten auffälliger Kindesvater, der aufgrund seiner emotionalen und kognitiven Beeinträchtigungen und mangels Krankheitseinsicht nicht in der Lage ist, sein Verhalten zu ändern) mit seinem Kind (hier: den persönlichen Kontakt ablehnende achtjährige Tochter ohne Bindung an den Kindesvater) notwendig, weil sich aus der Missachtung des von dem Kind geäußerten Willens eine Kindeswohlgefährdung ergäbe, und kann nicht konkret prognostiziert werden, ab wann das Kind in seiner Persönlichkeitsentwicklung soweit stabilisiert sein wird, dass es möglicherweise ohne Gefahren für das Kindeswohl einen persönlichen Kontakt mit dem Umgang begehrenden Elternteil wird wahrnehmen können, so ist der Umgangsausschluss aus Gründen der Verhältnismäßigkeit lediglich bis zu dem insoweit frühestmöglich anzunehmenden Zeitpunkt auszusprechen (hier: bis zur Vollendung des elften Lebensjahres der Tochter).
2. Da in Kindschaftssachen das Verschlechterungsverbot nicht gilt, kommt eine nach den durchgeführten Ermittlungen zum Schutz des Kindeswohls veranlasste Verlängerung des vom Familiengericht ausgesprochenen Umgangsausschlusses durch das Beschwerdegericht von Amts wegen auch dann in Betracht, wenn allein der Elternteil ein Rechtsmittel eingelegt hat, dessen Umgang ausgeschlossen worden ist.
3. Der Umfang eines das Umgangsrecht betreffenden Beschwerdeverfahrens weicht nicht schon deshalb erheblich von einem durchschnittlichen Beschwerdeverfahren in einer Kindschaftssache mit der Folge ab, dass ein Abweichen von dem Regelwert des § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG geboten wäre, weil zwei Anhörungstermine durchgeführt und ein ergänzendes Sachverständigengutachten eingeholt worden sind.
OLG Bremen, Beschl. v. 21.11.2017 – 5 UF 81/16 (AG Bremen)
1 Gründe:
I. Der Kindesvater begehrt Umgang mit dem am … 2009 geborenen Kind X.
X. stammt aus einer schon vor ihrer Geburt beendeten nichtehelichen Beziehung der jeweils 1980 geborenen Kindeseltern. Sie lebt mit einem dreijährigen Halbbruder und der Großmutter mütterlicherseits im Haushalt der allein sorgeberechtigten Kindesmutter. Den Vater ihres Halbbruders, der in einer eigenen Wohnung lebt, nennt sie "Papa".
Der Kindesvater hat die Vaterschaft zu X., bei der es sich um sein einziges Kind handelt, anerkannt. Er stammt aus D. und lebt seit 1989 in Deutschland. Zwischen 2000 und 2002 befand er sich wiederholt in stationärer psychiatrischer Behandlung im Rahmen von Unterbringungen nach dem PsychKG bzw. dem Betreuungsgesetz (Diagnosen: Paranoide Schizophrenie und Cannabis Abusus). Seitdem ist der Kindesvater bei unterschiedlichen niedergelassenen Ärzten in ambulanter psychiatrischer Behandlung gewesen. Nach seinen eigenen – wenig präzisen – Angaben nimmt er auch aktuell regelmäßig Psychopharmaka (Amisulprid) ein und einmal monatlich Termine bei einem Psychiater wahr. Er hat zuletzt als Gabelstaplerfahrer gearbeitet und befindet sich – nach Verlust dieses Arbeitsplatzes – derzeit in einer Umschulungsmaßnahme zum Industrieelektriker, die er im Jahr 2018 abschließen möchte.
Im Sommer 2009 berichtete die Kindesmutter dem Jugendamt, der Kindesvater sei sehr aufdringlich, tendiere zum Stalking, weise psychische Auffälligkeiten auf und habe Gewalt in der Beziehung ausgeübt.
Im März 2010 fand im Jugendamt ein Termin mit den Kindeseltern statt, bei dem der Kindesvater, der bei dieser Gelegenheit auf die Mitarbeiter des Jugendamts bedrohlich wirkte, unter anderem die Kindesmutter beleidigte, während sie das Kind auf dem Arm hielt.
Der Kindesvater, der bis dahin noch gar keinen Kontakt zu X. hatte, beantragte erstmals im Mai 2010 … seinen Umgang mit dem Kind zu regeln. Am 9.12.2010 verständigten sich die Kindeseltern im Rahmen einer Zwischenvereinbarung auf einen vom Jugendamt empfohlenen begleiteten Umgang. Es fanden zwei begleitete Umgangstermine beim Kinderschutzbund statt. Beide Termine wurden vorzeitig abgebrochen, weil der Kindesvater aus Sicht des für die Begleitung eingesetzten Fachpersonals nicht in der Lage war, die Angst seiner Tochter wahrzunehmen und sein Verhalten zu reflektieren. Nachdem der Kindesvater der Kindesmutter nach Abbruch des zweiten Termins, der am 17.2.2011 stattfand, auf Polnisch etwas hinterhergerufen hatte, Mutter und Tochter verängstigt davongelaufen waren und der Kinderschutzbund die Polizei gerufen hatte, wurde die Maßnahme beendet. In einem daraufhin vom Familiengericht eingeholten psychologischen Sachverständigengutachten der Dipl.-Psych. B. vom 28.11.2011 war unter anderem von einem aggressiven und bedrohlich wirkenden Auftreten des Kindesvaters sowie davon die Rede, dass zwischen diesem und der Tochter keine Beziehung oder Bindung bestehe. Darüber hinaus wurden deutliche Defizite in den intuitiven elterlichen Kompetenzen des Kindesvaters festgestellt. Die Notwendigkeit einer psychiatrischen Unter...