Marianne Breithaupt1. Auflage 2012, 439 Seiten, 89 EUR, Nomos Verlagsgesellschaft
Bereits der Buchtitel macht mit aller Entschiedenheit deutlich, dass es der Autorin nicht darum geht, die Düsseldorfer Tabelle zu ihrem Jubiläum als wichtigen Bestandteil des Unterhaltsrechts zu würdigen und ihr – wie das bei solchen Anlässen üblich ist – für ihre weitere Zukunft die besten Wünsche, versehen mit der einen oder anderen kritischen Anmerkung, mit auf den Weg zu geben. Hier geschieht das Gegenteil, indem der Tabelle sowohl die Legitimation bestritten wird als auch ihre Handhabung in der gerichtlichen Praxis grundsätzlich infrage gestellt wird. Die Tabelle mit ihren Anmerkungen wird mit Kartellabsprachen verglichen. Von einer "Tabellenindustrie", die aus Rechenprogrammen auf der Grundlage der Tabelle und Fortbildungen zu diesem Thema wirtschaftlichen Nutzen ziehe, ist die Rede. Selbst der Begriff Rechtsbeugung fällt, ohne dass allerdings im Ergebnis ein entsprechender Vorwurf gegen die Richterschaft bestehen bleibt. Den Tabellenmachern wird unterstellt, es sei ihnen schon bei der ursprünglichen Tabelle und erst Recht bei den Änderungen darum gegangen, die Kindesunterhaltsansprüche bewusst niedrig zu halten. Nur so sei das Abweichen der tatsächlichen Kosten, die Eltern für den Lebensbedarf ihrer Kinder zu tragen haben, von den Bedarfswerten in der Tabelle zu erklären. Den Unterhaltsberechtigten sei es durch die Handhabung der Tabelle in der familiengerichtlichen Praxis verwehrt, einen höheren Bedarf konkret darzulegen. Das sind harte und provozierende Vorwürfe. Dazu, ob sie berechtigt sind, kann sich der Leser anhand der in dem Buch vorgetragenen vielfältigen Fakten zum Entstehen und der weiteren Entwicklung der Tabelle sowie den ebenfalls wiedergegebenen Argumenten der Tabellenbefürworter eine Meinung bilden oder seine bereits vorhandene Einschätzung überprüfen.
Die Düsseldorfer Tabelle wird mit einem Exkurs zu den bereits vorher in Deutschland von Gerichten für den Unterhalt (nicht nur von Kindern) entwickelten Schlüsseln und Berechnungsmethoden in ihrer Entwicklung seit 1962 nicht nur in einem einfachen Überblick, sondern sehr eingehend anhand jeder einzelnen Tabelle im Verhältnis zu der bzw. den vorangegangenen Tabellen dargestellt. Am Beispiel einer "Musterfamilie" mit zwei Kindern in der 2. und 3. Altersstufe, Einkünften des Mannes alternativ mit niedrigem und hohen Einkommen und einer einkommenslosen Frau wird aufgezeigt, wie sich die Änderungen der Tabellenbeträge, Einkommensgruppen, Selbstbehalte (als solche werden fälschlicherweise durchgehend auch die Bedarfskontrollbeträge behandelt) und des Kindergeldes bzw. seiner Anrechnungsweise auf den Kindes- und Frauenunterhalt auswirken. Dabei wird bei der Ermittlung des Ehegattenunterhalts ab 2008 neben dem vom BGH geforderten Abzug des Zahlbetrages alternativ mit dem Abzug des Tabellenbetrages gerechnet. Auch wenn die durch die zahlreichen Alternativberechnungen bedingte Datenfülle die Übersichtlichkeit der Darlegungen leider teilweise einschränkt, bietet das Buch dem Leser unabhängig davon, ob er den kritischen Standpunkt der Autorin teilt, einen hervorragenden Überblick über die Düsseldorfer Tabelle in ihrer Entwicklung und Auswirkung auf das Unterhaltsrecht. Nur den wenigsten Anwendern dürften die Hintergründe und Überlegungen, die zu der Tabelle einschließlich der Anmerkungen geführt haben, bekannt sein. Die Bedeutung des Bedarfs nach der RegelunterhaltsVO, ab 1998 des Regelbedarfs und ab 2008 des Mindestbedarfs und der Auswirkung dieser Ausgangsbeträge auf die Unterhaltstabellen werden eingehend dargestellt und vergleichbaren sozialhilferechtlichen Bedarfen sowie statistischen Erhebungen gegenübergestellt.
Die Kritik an der teilweise unreflektierten Anwendung der Tabelle ist insoweit berechtigt, als häufig keine abschließende Gesamtschau vorgenommen wird, die das Ergebnis unter Berücksichtigung des pauschalen Bedarfs nach der Tabelle und der Gesamtbelastung des Unterhaltspflichtigen auf Billigkeit hin überprüft. Dies wird vor allem bei der Frage der Hoch- oder Herabstufung deutlich, wo die Entscheidung häufig schematisch und nicht einzelfallbezogen getroffen wird. Es kann z.B. nicht richtig sein, dass 800 EUR Mehreinkommen des Pflichtigen, der keine sonstigen Belastungen hat, nur zu einem um 50 EUR höheren Kindesunterhalt führen. Die schematische Rechtsanwendung ist die Folge des Unterhaltsverfahrens als Massengeschäft des Familienrechts. Sicherlich spielt die Unterhaltstabelle hierbei auch eine Rolle. Sie steht einer konkreten Bedarfsermittlung indes nicht grundsätzlich entgegen. Wenn die Unterhaltsberechtigten beim Kindesunterhalt von einer konkreten Darlegung des Bedarfs absehen, so beruht dies nicht unbedingt auf Bequemlichkeit, sondern möglicherweise auf der leidvollen Erfahrung beim Ehegattenunterhalt, wo es dem Berechtigten bei der konkreten Bedarfsdarlegung nur selten gelingt, seine Vorstellungen von einem angemessenen Unterhalt durchzusetzen. Die The...