Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung von Kinderehen von Februar 2017
Einführung
Der Deutsche Anwaltverein behält sich eine abschließende Beurteilung des Gesetzentwurfs zu einem späteren Zeitpunkt vor und nimmt wegen der Kürze der eingeräumten Frist nur zum Kern des Gesetzesvorhabens Stellung:
1. Änderung von § 8 BGB
Die durch § 8 Abs. 2 BGB bislang begründete Möglichkeit für verheiratete Minderjährige, einen eigenen Wohnsitz zu begründen soll gestrichen werden. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass bei Aufhebung oder Nichtigkeit einer Ehe die minderjährige Person ggfls. wieder in ihren Herkunftsfamilienverband zurückkehren muss, was mit effektivem Kinder- und Jugendschutz u.U. nicht zu vereinbaren ist.
2. Änderung von § 1303 BGB
Die Deklaration der Ehemündigkeit auf die Vollendung des 18. Lebensjahres und die Abschaffung der Befreiungsmöglichkeit nach § 1303 Abs. 2 BGB für in Deutschland geschlossene Ehen ist im Hinblick auf die mit der Ehe wechselseitig begründeten Verpflichtungen nachvollziehbar, aber nicht wünschenswert Die existierende Befreiungsmöglichkeit wird dem Schutz der Rechte von Minderjährigen zwischen dem 16. und 18 Lebensjahr im Einzelfall besser gerecht und fügt sich in den Kontext der Rechte ein, die Minderjährigen ab dem 16. Lebensjahr zugebilligt werden, wie beispielsweise das Wahlrecht auf Kommunal- und Landesebene, die Testierfähigkeit und das Recht auf Geltendmachung der Kenntnis der eigenen Abstammung im gerade vorgelegten Entwurf zum Samenspenderegistergesetz und den hierzu bereits existierenden Regelungen im Schwangerschaftskonfliktgesetz.
3. Änderung von § 1310 BGB
Das Verbot vor dem Standesamt eine Ehe unter Beteiligung einer minderjährigen Person zu schließen, wenn die Ehe nichtig oder aufhebbar ist, ist nachvollziehbar.
4. Änderung von §§ 1314, 1315, 1316 BGB
Während Ehen mit Beteiligten, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben nach Art. 13 EGBGB-E nichtig sein sollen, sind Ehen unter Beteiligung einer Person, die das 16. aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, nach dem Entwurf aufhebbar. Die Verpflichtung der Behörde, den Aufhebungsantrag auch dann zu stellen, wenn beide Ehegatten volljährig geworden sind, ist ein massiver Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Ehegatten. Dieser Eingriff wird auch nicht dadurch verständlicher, dass davon abgesehen werden soll, wenn der volljährige Ehegatte zu erkennen gibt, dass er die Ehe fortsetzen möchte. Kinder- und Jugendschutz rechtfertigen keinen staatlichen Eingriff in die Ehe Volljähriger. Das staatliche Wächteramt für Kinder und Jugendliche endet mit Volljährigkeit der Ehegatten, die dann die Möglichkeit selbst ergreifen können, das Familienstatut durch Scheidung zu beenden oder aufheben zu lassen.
5. Änderung von Art. 13, Art. 229 EGBGB
Die Regelungen, wonach im Ausland geschlossene Ehen mit Beteiligten, die das 16 Lebensjahr nicht erreicht haben, regelmäßig nichtig sein sollen, dürfte u.a. der UN-KRK widersprechen. Danach ist ein Mindestalter für die Eheschließung gerade nicht vorgegeben, statt dessen wird verlangt, dass der Reife und Autonomie des jeweiligen Kindes Respekt gezollt (Art. 12 UN-KRK) und sein individuelles Wohl vorrangig berücksichtigt wird (Art. 3 UN-KRK). Eine solche Prüfung im Einzelfall ist durch die in Aussicht genommene Neuregelung ausgeschlossen. Das trifft auch auf den Entwurf zu § 1303 BGB zu.
6. Schlussbemerkung
Der Deutsche Anwaltsverein warnt davor, im Ausland rechtsgültig geschlossene Ehen die grundrechtliche Anerkennung zu verweigern. Dem kulturell und rechtlich international höchst unterschiedlich ausgeprägten Ehestatut kann nur in extremen Ausnahmefällen grundrechtliche Anerkennung versagt werden. Ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Position ausländischer Eheleute muss daher immer Ergebnis einer gründlichen Einzelfallprüfung sein und dem Familiengericht vorbehalten bleiben. Das trifft auch und gerade auf den Schutz von Kinderrechten zu.
FF 5/2017, S. 181 - 182