In Studium und Referendariat werden die Grundlagen für eine künftige Tätigkeit als Richter gelegt. Das deutsche System geht noch immer davon aus, dass der sog. Einheitsjurist als Universalist eine hinreichende Befähigung zur Ausübung des Richteramtes erwirbt. Für den Bereich der Familiengerichtsbarkeit gilt dies jedoch nicht. Denn zum einen wird das Familienrecht an den deutschen Universitäten oft nicht in der gebotenen Weise gelehrt. Einschlägig ausgewiesene Lehrstühle sind eine Seltenheit. Zum anderen gehört vor allem das Kindschaftsrecht auch im Referendariat nicht zum Pflichtstoff, vielmehr wird das Familienrecht im Allgemeinen nur besonders interessierten Referendaren mit der Möglichkeit zur Teilnahme an entsprechenden Arbeitsgemeinschaften auf freiwilliger Basis angeboten.

Diesem Dilemma der juristischen Ausbildung wird Vorschub geleistet durch die geltende, aber erst recht durch die von den Landesjustizministern künftig angestrebte Gestaltung der Anforderungen an die KandidatInnen der ersten staatlichen Prüfung bzw. des zweiten juristischen Staatsexamens: Danach soll künftig im staatlichen Teil der ersten Prüfung etwa das Recht der elterlichen Sorge nur noch hinsichtlich der Vertretungsfragen bzw. der Beschränkung der elterlichen Haftung in Grundzügen zum Pflichtstoff und im zweiten Staatsexamen das einschlägige Verfahrensgesetz (FamFG) nicht einmal mehr zum Prüfungsstoff gehören. Damit erhalten frisch ausgebildete Volljuristen die Befähigung zum Richteramt, ohne ein Basiswissen zum Familienrecht bzw. zum Kindschaftsrecht vorhalten zu können. In der Anwaltschaft wurde dieses Problem erkannt: Die Bezeichnung zum Fachanwalt für Familienrecht setzt intensive Erfahrungen in der Fallbearbeitung sowie den Erwerb der erforderlichen Erkenntnisse und stetige Fortbildungsbereitschaft voraus. In der Familiengerichtsbarkeit sollte eine Weiterbildung im Familienrecht, insb. Kindschaftsrecht, und Familienverfahrensrecht zwingend vorgeschaltet sein, bevor Aufgaben der Entscheidung über das Lebensschicksal von Kindern und Eltern übertragen werden.

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