Die Entscheidung des BGH betrifft einen Sachverhalt, wie er in der Praxis häufig vorkommt: Im Scheidungsverfahren beantragt die Ehefrau VKH. In ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gibt sie – absichtlich oder grob nachlässig – Vermögen nicht an, u.a. ein Grundstück in Ungarn. Das Familiengericht hebt daraufhin die VKH auf, die dagegen gerichtete Beschwerde der Ehefrau bleibt erfolglos. Später beantragt sie erneut VKH und legt dazu vollständige Unterlagen vor. Sie legt dar, weshalb der Grundbesitz in Ungarn aus ihrer Sicht nicht verwertbar sei. Familiengericht und OLG verweigern ihr die VKH ohne erneute Prüfung der Bedürftigkeit mit der Begründung, bei der Aufhebung der VKH stehe der Sanktionscharakter im Vordergrund. Sei die bewilligte VKH einmal wegen falscher Angaben aufgehoben worden, komme eine erneute Bewilligung deshalb nicht in Betracht. Es komme auch nicht darauf an, ob die erste Bewilligung auf den falschen Angaben beruht habe. Vielmehr reiche es aus, dass diese allgemein geeignet gewesen seien, die Entscheidung über die Bewilligung zu beeinflussen.

Auf die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau hebt der BGH den Beschluss des OLG auf und verweist die Sache dorthin zurück. Er führt aus, mit dem neuen VKH-Antrag habe ein neues VKH-Prüfungsverfahren begonnen, in dem die Voraussetzungen der Bewilligung neu zu prüfen seien. Die Entscheidung im ersten VKH-Prüfungsverfahren sei zwar in formelle, aber nicht in materielle Rechtskraft erwachsen und stehe daher der Bewilligung nicht entgegen. Aufgrund der nunmehr vollständigen Angaben der Ehefrau stehe auch ein neuer Sachverhalt zur Entscheidung. Die Sanktionswirkung der ursprünglichen VKH-Aufhebung beschränke sich darauf, dass die ursprünglich bewilligte VKH entzogen werde und die begünstigte Beteiligte nachträglich zur Erstattung der Kosten und Auslagen herangezogen werden könne. Demgegenüber seien die Voraussetzungen, unter denen ein neuer VKH-Antrag unabhängig von der Bedürftigkeit der Antragstellerin allein wegen deren unzureichender Mitwirkung abgelehnt werden könne, in § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO abschließend geregelt: Nur wenn der VKH-Antragsteller Fragen des Gerichts nicht fristgemäß beantworte oder seine Angaben nicht fristgerecht glaubhaft mache, komme die Ablehnung nach dieser Vorschrift in Betracht. Eine Rechtsgrundlage für eine Ablehnung aus anderen Gründen ergebe sich weder aus Verwirkung noch aus dem Rechtsgedanken des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass wirtschaftlich Unbemittelten im Wesentlichen gleicher Zugang zum Rechtsschutz zu gewähren sei wie Bemittelten, gelte grundsätzlich auch für einen Beteiligten, der sich durch früheres Fehlverhalten gegen die Rechtsordnung gestellt habe. In der Folge beschränke sich die Sanktionswirkung der Aufhebung darauf, dass die Bewilligung von VKH aufgrund des neuen Antrags erst ab dem Zeitpunkt der erneuten Antragstellung erfolgen könne. Bis dahin bereits angefallene Kosten erfasse die Bewilligung daher nicht.

Bereits vor einiger Zeit hat der BGH entschieden, dass § 124 ZPO nicht analog im VKH-Bewilligungsverfahren anzuwenden ist. Werden unrichtige Angaben vor Bewilligung der VKH entdeckt, rechtfertigt das deshalb nicht deren Versagung.[1] Diese Rechtsprechung wurde in der Literatur teilweise mit der Begründung kritisiert, sie bevorzuge Antragsteller, deren unrichtige Angaben bereits vor der Bewilligung entdeckt werden, gegenüber solchen, bei denen das erst nach der Bewilligung der Fall sei. Denn Letztere hätten das Risiko auf sich zu nehmen, die Verfahrenskosten letztlich doch selbst tragen zu müssen, während "rechtzeitig" entdeckte unrichtige Angaben noch korrigiert werden könnten.[2]

Mit der jetzt ergangenen, überzeugenden Entscheidung mildert der BGH die Folgen der Aufhebung einmal bewilligter VKH für einen Teil der betroffenen Sachverhalte ab, nämlich für diejenigen, in denen noch ein neuer VKH-Antrag gestellt werden kann. Das ist bis zum Abschluss der jeweiligen Instanz möglich, einem später gestellten Antrag darf das Gericht nicht mehr stattgeben.[3] Je weiter das Verfahren fortgeschritten ist und je mehr Kosten bereits entstanden sind, desto schwerer wiegt die verbleibende Sanktionswirkung. Das mit dem neuen VKH-Antrag befasste Gericht sollte den zeitlichen Beginn der Bewilligung ausdrücklich festlegen, um den Eindruck zu vermeiden, sie erstrecke sich auch auf frühere Zeiträume. Die in der Praxis verbreitete Bewilligung ohne Angabe des Wirkungszeitpunkts ist unvollständig und führt zu Auslegungsschwierigkeiten.[4]

Problematisch bleibt die Rechtsprechung des BGH, soweit es danach auf die Ursächlichkeit der falschen Angaben für die Bewilligung von VKH nicht ankommen soll. Dagegen spricht die Einordnung der VKH als Sozialleistung, da ein begünstigender Verwaltungsakt wegen unrichtiger Angaben des Begünstigten nur zurückgenommen werden kann, wenn er auf diesen Angaben beruht.[5]

Bei der anwaltlichen Beratung sollte dem Mandanten verdeutl...

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