Die zutreffende Abgrenzung eines Verfahrens der sonstigen Familiensachen von den Nichtfamiliensachen und von den anderen Familiensachen nach § 111 FamFG ist von Bedeutung für die Bestimmung des zutreffenden Rechtswegs gemäß § 13 GVG, für die sachliche Zuständigkeit der Gerichte, § 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG, für die Anwendbarkeit des FamFG, der ZPO und des entsprechenden Kostenrechts.
In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob der Gesetzgeber eine Streitigkeit im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Spezialität einer anderen Gerichtsbarkeit oder der Zuständigkeit spezieller Sachgebiete zugeordnet hat. Mit Verfahren auf diesen Rechtsgebieten sollen die Familiengerichte nicht befasst werden, weil ihre Bearbeitung sehr spezielle Kenntnisse voraussetzt. Nicht in die Zuständigkeit der Familiengerichte fallen nach der Ausschlussklausel des § 266 Abs. 1 FamFG Verfahren, die in den Zuständigkeitsbereich der Arbeitsgerichtsbarkeit (z.B. nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG, wenn der Ehegatten-Arbeitnehmer den Anspruch auf den schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrag stützt, den der Arbeitgeber wegen Scheingeschäfts für nichtig nach § 117 BGB hält) fallen sowie solche im Erbrecht und im Wohnungseigentumsrecht.
Keine sonstigen Familiensachen i.S.d. § 266 FamFG sind auch solche Streitigkeiten, die in dem Katalog der Spezialzuständigkeiten der Kammern beim LG in § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a bis k ZPO enthalten sind. Dies sind Streitigkeiten
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über Ansprüche aus Veröffentlichungen durch Druckerzeugnisse, Bild- und Tonträger jeder Art, insb. in Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen; |
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aus Bank- und Finanzgeschäften; |
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aus Bau- und Architektenverträgen sowie aus Ingenieurverträgen, soweit sie im Zusammenhang mit Bauleistungen stehen; |
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aus der Berufstätigkeit der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfern; |
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über Ansprüche aus Heilbehandlungen; |
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aus Handelssachen i.S.d. § 95 GVG; |
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über Ansprüche aus Fracht-, Speditions- und Lagergeschäften; |
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aus Versicherungsvertragsverhältnissen; |
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aus den Bereichen des Urheber- und Verlagsrechts; |
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aus den Bereichen der Kommunikations- und Informationstechnologie; |
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die dem LG ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesen sind. |
Im einem zweiten Schritt ist nach § 266 Abs. 1 letzter Hs. FamFG bei einer Streitigkeit zu prüfen, ob es sich um eine Familiensache nach anderen Vorschriften handelt oder um ein damit im Zusammenhang stehendes Verfahren. Der Katalog der anderen Familiensachen findet sich in § 111 Nr. 1–9 und 11 FamFG. Die Subsidiaritätsklausel ist auch dann anzuwenden, wenn es sich dabei um eine Familiensache kraft Sachzusammenhangs handelt. Soweit es sich nach anderen Vorschriften um eine Familiensache handelt, ist nicht mehr auf § 266 FamFG abzustellen, weil § 266 FamFG subsidiär ist.
Die korrekte Einordnung der Streitigkeit kann nicht vernachlässigt werden, weil die einzelnen Familiensachen unterschiedlichen Verfahrensvorschriften unterliegen. Sonstige Familiensachen nach § 266 Abs. 1 FamFG gehören nach § 112 Nr. 1–3 FamFG ebenso wie bestimmte Unterhaltssachen (§ 231 Abs. 1 FamFG), Lebenspartnerschaftssachen (§ 269 Abs. 1 Nr. 8 und 9 FamFG) und Güterrechtssachen (§ 261 Abs. 1 und § 269 Abs. 1 Nr. 10 FamFG) zu den Familienstreitsachen. Für diese genannten Streitigkeiten gilt § 113 FamFG. Nach dessen Absatz 1 Satz 2 sind im Wesentlichen die Vorschriften der ZPO anwendbar.
Andere Familiensachen aus dem Katalog des § 111 FamFG, wie z.B. Ehewohnungs- und Haushaltssachen (§ 111 Nr. 5, § 200 FamFG) oder Gewaltschutzsachen (§ 111 Nr. 6, § 200 FamFG), werden als Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit bezeichnet. Für sie gelten die im Allgemeinen Teil des FamFG (§§ 1–110 FamFG) niedergelegten Verfahrensgrundsätze.
Sonstige Familiensachen nach § 266 Abs. 2 FamFG zeichnen sich ebenfalls durch eine besondere Sachnähe zu den Regelungsgegenständen des Familienrechts aus. Diese Verfahren, für das der Gesetzgeber beispielhaft das Verfahren nach § 1357 Abs. 2 Satz 1 BGB betreffend Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs genannt hat, gehören im Gegensatz zu den in § 266 Abs. 1 FamFG geregelten Familienstreitsachen nicht zu der Kategorie der Familienstreitsachen, sondern zu den Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Die Einordnung der Streitigkeit als sonstige Familiensache nach § 266 FamFG oder andere Familiensache ist auch entscheidend für die Frage, ob die Familiensache im Verbundverfahren als Folgesache i.S.d. § 137 FamFG in Betracht kommt. Verfahren nach § 266 Abs. 1 und 2 FamFG können nicht Folgesachen sein, also nicht in den Verbund mit einer Scheidungssache einbezogen werden.