BGB § 1603 § 1612a
Leitsatz
1. Wenn der Unterhaltspflichtige Leistungen nach dem SGB II bezieht, kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass er erwerbsunfähig ist, weil SGB II-Leistungen nur gewährt werden, soweit der Leistungsempfänger imstande ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II).
2. Die fiktive Zurechnung eines Mindestlohns von 8,50 EUR brutto/Stunde kommt nur in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige realistischerweise auch Zugang zu diesem Teil des Arbeitsmarktes hat.
3. Wenn die letzte Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen mehr als drei Jahre zurückliegt und durch einen Bandscheibenvorfall und eine sich daran anschließende achtmonatige Krankschreibung endete, er seit der Aufnahme der Berufstätigkeit vor etwa 20 Jahren dem Arbeitsmarkt effektiv nur sechs Jahre zur Verfügung stand und er aufgrund seiner Erkrankung weder schwer heben noch länger stehen kann sowie zusätzlich eine Gehhilfe benötigt, kann im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren nicht festgestellt werden, dass für ihn in den Berufsbereichen, in denen er bislang tätig war – Gastronomie, Handel/Verkauf, Altenpflegehilfe sowie Gebäudereinigungsgewerbe – eine realistische Beschäftigungschance besteht und er mit seinen beruflichen Fähigkeiten in der Lage ist, Einkünfte zu erzielen, mit denen er nicht nur seinen Selbstbehalt abdecken, sondern zusätzlich noch den geforderten Mindestunterhalt leisten kann.
KG, Beschl. v. 26.2.2015 – 13 WF 263/14 (AG Tempelhof-Kreuzberg)
1 Aus den Gründen:
I. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrem Rechtsbehelf gegen den Beschluss des Familiengerichts vom 10.10.2014, mit dem ihr Gesuch um Verfahrenskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverteidigung gegen den Antrag ihrer heute 11-jährigen Tochter, sie mit Wirkung ab dem 1.3.2014 zur Zahlung des Mindestunterhalts zu verpflichten, mangels Erfolgsaussichten zurückgewiesen wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tenor und Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Sie meint, die beabsichtigte Rechtsverteidigung weise sehr wohl Erfolgsaussichten auf. Denn sie habe etwa Ende 2011 einen Bandscheibenvorfall erlitten, was zunächst eine Krankschreibung im Zeitraum von Dezember 2011 bis August 2012 nach sich zog und sodann eine betriebsbedingte Kündigung zum 31.8.2012 durch den seinerzeitigen Arbeitgeber, ein Gebäudereinigungsunternehmen. Ihre gesundheitlichen Beschwerden halten seither im Kern unverändert an; sie leide an einer Cervicobrachialgie ("Schulter-Nacken-Arm-Syndrom"), welches durch ihre Allgemeinmedizinerin bzw. durch eine Fachärztin für Orthopädie seit etwa Ende 2012/Anfang 2013 im Wesentlichen konservativ mit Kortisonspritzen und Schmerztabletten behandelt werde und seit Januar 2014 durch einen Neurochirurgen mittels einer Facettengelenkinfiltration im Bereich der Halswirbelsäule; einem schmerztherapeutischen Verfahren, bei dem das Wirbelgelenk mit einer dünnen Nadel unter Kontrolle eines bildgebenden Verfahrens direkt punktiert und ein Schmerzmittel in das Gelenk appliziert wird. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung benötige sie derzeit eine Gehhilfe und könne auch nicht mehr schwer heben oder länger stehen; die behandelnden Ärztinnen hätten sie mehr oder weniger kontinuierlich als arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die aktuelle, am 4.2.2015 festgestellte Arbeitsunfähigkeit gelte bis zum 13.2.2015. …
II. 1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft und wurde fristgerecht angebracht (§§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 2 S. 3, 569 ZPO); unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens und der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragsgegnerin erweist sie sich auch in der Sache als erfolgreich:
a) Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin rechtfertigen im Ergebnis die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe; sie stellen sich nach ihrer Erklärung vom 7.8.2014 wie folgt dar: (wird ausgeführt)
b) Entsprechendes gilt auch für die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverteidigung (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO): Die Rechtsverteidigung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, sobald der vorgetragene Rechtsstandpunkt bei vorläufiger, summarischer Prüfung (wenigstens) vertretbar erscheint und unter Berücksichtigung auch des gegnerischen Vorbringens nicht von vornherein und unter jedem vernünftigerweise denkbaren Aspekt fehl geht (vgl. Gottschalk, in: Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 7. Aufl. 2014, Rn 408 ff., 418). Dabei kann es nach Dafürhalten des Senats im Rahmen des Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahrens nicht auf eine "centgenaue" Berechnung eines möglicherweise noch verbleibenden Unterhaltsanspruchs bzw. dessen (ggf. vollständige) Abwehr ankommen. Die Frage, ob nach Würdigung des Verteidigungsvorbringens gar kein, ein Mangelfallunterhalt oder eventuell doch ein Unterhaltsanspruch gegeben ist, ist im Zuge des Hauptsacheverfahrens mit den dortigen, bessere...