Das deutsche internationale Abstammungsrecht ist in erster Linie in Art. 19 EGBGB geregelt. Das Ungewöhnliche ist, dass Art. 19 EGBGB mehrere gleichberechtigte Anknüpfungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt: Nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Darüber hinaus kann die Abstammung nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB im Verhältnis zu jedem Elternteil aber auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört. Zu guter Letzt kann die Abstammung, wenn die Mutter des Kindes verheiratet ist, gem. Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB auch nach dem Ehewirkungsstatut bestimmt werden. In Rechtsprechung und Lehre ist anerkannt, dass die Verweisungsregeln nach Satz 2 und Satz 3 nicht subsidiär sind gegenüber der Anknüpfung an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts nach Satz 1. Es handelt sich also nicht um eine Anknüpfungsleiter, bei der erst dann auf die nächste Stufe zurückgegriffen werden darf, wenn die Anknüpfung an die vorrangige Stufe ins Leere geht. Vielmehr sind alle drei Anknüpfungsalternativen gleichzeitig parallel anwendbar. Verweisen die Anknüpfungsalternativen auf verschiedene Rechtsordnungen, soll sich dasjenige Sachrecht durchsetzen, das für das Kind günstiger ist.
Nehmen deutsche Paare im Ausland eine Leihmutter in Anspruch, besteht die Gefahr, dass über Art. 19 Abs. 1 EGBGB dem Kind keine rechtlichen Eltern zugewiesen werden können. Nehmen wir zur Veranschaulichung folgenden Fall, der die deutschen Behörden vor einigen Jahren beschäftigt hat: Ein kinderloses deutsches Ehepaar nimmt in Georgien die Dienste einer Leihmutter in Anspruch, diese bringt Zwillinge zur Welt. Die deutschen Wunscheltern, die nach eigenen Angaben auch die genetischen Eltern des Kindes sind, werden in Übereinstimmung mit dem georgischen Abstammungsrecht als rechtliche Eltern des Kindes in die georgischen Geburtsurkunden eingetragen. Den Kindern wird jedoch – kurze Zeit nach ihrer Geburt – die Einreise nach Deutschland verwehrt, sodass sie letztlich in Georgien in einem Heim untergebracht werden müssen.
Da die Anknüpfungsalternativen des Art. 19 Abs. 1 EGBGB, wie bereits dargelegt wurde, gleichrangig sind, kann die Analyse dieses Falles mit der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit der Eltern nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB beginnen. Gem. Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB bestimmt sich die Frage, ob das Kind von den deutschen Wunscheltern abstammt, nach deutschem Recht. Ob also das Kind von der deutschen Wunschmutter abstammt, entscheidet das deutsche Recht. Doch wird eine rechtliche Elternschaft der Wunschmutter von § 1591 BGB strikt abgelehnt. Ob allerdings die georgische Geburtsmutter – wie das deutsche Recht sich das vorstellt – als rechtliche Mutter angesehen werden kann, bestimmt sich gem. Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB nach georgischem Recht: Doch das georgische Recht sieht in Fällen der Leihmutterschaft die Geburtsmutter gerade nicht als rechtliche Mutter des Kindes an, wenn die Wunschmutter in die Geburtsurkunde eingetragen wird (Art. 143 Abs. 2 georg. Gesundheitsgesetz; Art. 1187, 1191 Abs. 1, 1192 Abs. 1 georg. ZGB). Im Ergebnis lässt sich also über Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB für das Kind weder eine Elternschaft der deutschen Wunschmutter noch der georgischen Leihmutter begründen.
Ob Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB dem Kind wenigstens einen Vater zu verschaffen vermag, hängt davon ab, ob die georgische Geburtsmutter verheiratet ist. Ist das der Fall, so besteht wieder die gleiche Zwickmühle: Auf die Abstammung vom deutschen Wunschvater ist deutsches Recht anwendbar, doch dieses sieht ihn – ohne vorherige Vaterschaftsanfechtung – nicht automatisch als rechtlichen Vater an. Ob allerdings der georgische Ehemann als Vater des Kindes gelten kann, bestimmt sich nach georgischem Recht, das eine Zuordnung zur Leihmutter und ihrem Ehemann in der vorliegenden Konstellation ablehnt. Das Kind sitzt dann abstammungsrechtlich wieder zwischen den Stühlen. Ist die georgische Leihmutter demgegenüber nicht verheiratet, kann immerhin der deutsche Wunschvater – mit ihrer Zustimmung – seine Vaterschaft anerkennen. Eine solche Anerkennung wird unstreitig als wirksam angesehen, obwohl sie im Ergebnis dazu führt, dass das deutsche Verbot der Leihmutterschaft umgangen werden kann.
Die abstammungsrechtliche Zuordnung des Kindes steht und fällt damit in unserem Beispielsfall mit der Anwendung von Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Für die Mutter-Kind-Zuordnung gilt dies ausnahmslos und für die Vater-Kind-Zuordnung immer dann, wenn die Geburtsmutter verheiratet ist. Für die Verweisung nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB ist zunächst entscheidend, wo der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes unmittelbar nach seiner Geburt zu verorten ist. Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person liegt dort, wo der Schwerpunkt ihrer Bindungen liegt, wo ihr Daseinsmittelpunkt besteht. Auch wenn der gewöhnliche Aufenthalt von Kindern selbstständig zu bestimm...