Über Sachverstand soll jeder am Verfahren Beteiligte verfügen – Richter, Mitarbeiter des Jugendamtes, Verfahrensbeistände, Umgangs- und Ergänzungspfleger, Anwälte und natürlich diejenigen, deren Expertise sich Gerichte bedienen, wenn sie selbst nicht über hinreichend eigene Sachkunde verfügen: die Sachverständigen.
Deren Eignung und die Qualität ihrer Arbeit ist immer wieder Anlass zu heftigen Diskussionen. Damit befinden sich Sachverständige in bester Gesellschaft, nämlich derjenigen aller anderen an familienrechtlichen Verfahren beteiligten Berufsgruppen, weshalb sie sich nicht grämen müssen.
Aktuell stehen jedoch sie im Fokus. Die amtierende Regierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag im Jahr 2013 vorgenommen: "Wir wollen außerdem die Neutralität gerichtlich beigezogener Sachverständiger gewährleisten und in Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden die Qualität von Gutachten insbesondere im familiengerichtlichen Bereich verbessern."
Erfreulicherweise haben die angesprochenen Berufsgruppen hierauf nicht gekränkt reagiert, was man ihnen nicht hätte verübeln können, sondern beteiligen sich konstruktiv an der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im vergangenen Jahr initiierten interdisziplinären Arbeitsgruppe, die sich mit der politischen Selbstverpflichtung aus dem Koalitionsvertrag befasst.
Wie das Gewünschte zur Umsetzung gelangen soll, ist noch offen. Ob gesetzgeberisches Handeln, beispielsweise durch die Benennung der fachlichen Qualifikation des Sachverständigen wie im Betreuungsrecht, zielführend ist, wird diskutiert. Daran kann man Zweifel haben, wenn man die richterliche Unabhängigkeit und den Umstand in den Blick nimmt, dass die unterschiedlichsten Expertisen, nicht nur von Psychologen und Psychiatern, gefragt sein können, beispielsweise bei sucht- oder anderweit erkrankten Eltern, bei denen sich ein Familiengericht zunächst über deren Gesundheitszustand Gewissheit verschaffen muss. Eine Beschränkung der richterlichen Auswahlmöglichkeiten wäre jedenfalls zu vermeiden. Zugleich wird an der Erstellung eines Kriterienkatalogs zu Mindestanforderungen für die Erstellung von Sachverständigengutachten in Kindschaftssachen gearbeitet. Beschränkt sich dieser auf das rechtlich wie fachlich Wesentliche, kann er in der Praxis allen Beteiligten zweifellos hilfreich sein.
Unabhängig vom Ausgang dieser interessanterweise nicht von den Verfahrensbeteiligten, sondern der Politik angestoßenen Initiative sollte man nicht aus dem Auge verlieren, dass es die Aufgabe der Gerichte ist, sich in dem Maße fachkundig zu machen, dass der Entscheidungsfindung dienliche Gutachten – mit der richtigen Fragestellung und an einen mit der konkret benötigten Expertise ausgestatteten Sachverständigen – mittels Beweisbeschluss in Auftrag gegeben werden – und das dann und nur dann, wenn es an der eigenen Sachkunde fehlt. Denn nicht immer leuchtet ein, weshalb die Entscheidung über die Ausdehnung der Betreuungszeiten um eine weitere Übernachtung der zuvor eingeholten gutachterlichen Expertise bedarf. Auch dann nicht, wenn man meint, aus der Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG die Tendenz zu einer (scheinbar) häufiger nötigen gutachterlichen Prüfung entnehmen zu müssen.
Und es darf nicht vergessen werden, dass auch wir Familienanwälte die – häufig mühsame und zeitintensive – Aufgabe haben, die Qualität des berufenen Sachverständigen ebenso wie dessen Gutachten kritisch zu prüfen.
Werden diese Aufgaben verantwortungsvoll wahrgenommen und besteht aufseiten der Sachverständigen Bereitschaft, sich der Mühe der Begutachtung des Einzelfalls vorbehaltlos und ohne Textbausteine zu unterziehen, ist Wesentliches bereits erreicht.
Denn eines ist sicher: Über die Verbesserung der Qualität unser aller Arbeit – und damit auch derjenigen von Sachverständigen – kann man nicht streiten, man kann sie nur wollen.
Autor: Eva Becker
Eva Becker, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin
FF 6/2015, S. 221