Können Eltern – aus welchen Gründen auch immer (mangelnde Eignung, Krankheit, Tod) – ihre Kinder nicht selbst betreuen, müssen andere Personen zur Pflege und Erziehung der Kinder einspringen. Die bevorzugte Hilfe rekrutiert sich aus dem Kreis der Verwandten oder dem sozialen Umfeld. Der Tochter, dem Sohn soll in einer schwierigen Lage geholfen werden und die Enkel sollen nicht darunter leiden. So verwundert es nicht, dass sich Großeltern noch einmal in die Pflicht nehmen lassen. Ihr Anteil bei der amtlich bekannten Verwandtenpflege liegt bei geschätzt 70 %. Oft jedoch erfolgen Auswahl der Pflegepersonen und Betreuungswechsel aus Eigeninitiative und ohne jede Beteiligung des Jugendamtes auf einer rein informellen Basis. Solche privatrechtlich gestalteten Pflegeverhältnisse sind bei Verwandten oder Verschwägerten grundsätzlich erlaubnisfrei zulässig (§ 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 3 SGB VIII). Es gibt sie wohl weitaus häufiger, als allgemein angenommen. Genaue Zahlen zu den informellen Pflegeverhältnissen sind jedoch nicht bekannt.
Die Verwandtenpflege ist in Deutschland erst in den letzten Jahrzehnten stärker in das Bewusstsein gerückt und steht unverändert in Konkurrenz zu den "professionellen Pflegestellen". Auch hier entfaltete das Bundesverfassungsgericht eine treibende Kraft. Es hat schon seit langem den Vorrang der Herkunftsfamilie bei der Auswahl von Pflegern und Vormündern festgeschrieben. Dabei haben die Großeltern "ein eigenes Recht aus Art. 6 Abs. 1 GG, bei der Auswahl eines Vormunds oder Ergänzungspflegers in Betracht gezogen zu werden." Die Gerichte haben bei der Auswahl der Pflegeeltern zu prüfen, ob nicht die Obhut der Großmutter oder der 64-jährigen Urgroßmutter "ein Aufwachsen in der Herkunftsfamilie gewährleisten und hierdurch eine weitgehende Trennung des Kindes von seiner leiblichen Mutter vermieden werde."
Die Großeltern scheiden als Pflegeperson erst dann aus, wenn es dem Kindeswohl besser dient, die Pflege auf eine familienfremde Person zu übertragen. Dies ist noch nicht bei einer engen familiären Verbundenheit zwischen Großeltern und den eigenen Kindern der Fall, sondern erst dann, wenn es eine dem Kindeswohl abträgliche emotionale Verstrickung gibt – anders ausgedrückt: wenn sich Mutter und Großmutter gegen das Amt verbünden.
Wie so oft bei familiären Verhältnissen kann sich die Verwandtenpflege als besonders günstig oder auch nachteilig erweisen. Positiv treten vor allem die engeren Bindungen hervor, die Kinder zu ihren Verwandten entwickeln. Insofern kommt die Betreuung in der eigenen Familie häufig ihren Wünschen und Vorstellungen entgegen. Die emotionale Verbundenheit mit der Herkunftsfamilie kann sich aber ebenso als ungünstig erweisen. Dazu gehören insbesondere prekäre Einkommensverhältnisse sowie die Verfestigung eines ungünstigen sozialen Milieus. Es ist ein Unterschied, ob Großeltern aufgrund eines familiären Notfalls – Krankheit, Tod – einspringen oder eine Entziehung des Sorgerechts nach § 1666 BGB droht. Wird das Jugendamt auf die Familie aufmerksam, reagieren Großmütter unter Umständen besonders empfindlich, wenn plötzlich ihre Erziehungseignung infrage gestellt wird, nachdem sie zuvor schon über mehrere Jahre für ihre Enkel gesorgt hatten. Was passiert, wenn Großeltern aufgrund ihres Alters oder körperlicher Gebrechen die Betreuung nur noch für eine begrenzte Zeit übernehmen können? Wer mit 70 Jahren einen 5-jährigen Enkel betreuen kann, kann nicht unbedingt mit 80 Jahren einen dann 15-jährigen Enkel bändigen. Solche Perspektiven sollten schon im Vorfeld bedacht werden, bevor in einem Sorgerechtsverfahren die 75-jährige Großmutter aus dem Hut gezaubert und dem Gericht als die vermeintlich besser geeignete Pflegeperson präsentiert wird.
Mit der Übernahme der Elternrolle durch die Großeltern ergeben sich erhebliche rechtliche Veränderungen. Als Vormund haben sie anstelle der Eltern das Kind in allen rechtlichen Belangen zu vertreten. Sie werden bezugsberechtigt für das Kindergeld. Fallen die Eltern als Erziehungsperson aus, besteht ein Anspruch auf Hilfen zur Erziehung außerhalb des Elternhauses (§ 27 SGB VIII). Dabei bilden die Großeltern selbst dann "eine andere Familie" i.S.v. § 33 SGB VIII, wenn sie mit den Eltern weiterhin im selben Haus wohnen. Die Voraussetzungen für eine Bewilligung der Hilfen sind überschaubar, wie exemplarisch ein 2014 vom Bundesverwaltungsgericht entschiedener Sachverhalt verdeutlicht: Die allein sorgeberechtigte Mutter konnte eine ausreichende Versorgung ihrer Kinder nicht gewährleisten. Diese lebten bereits seit mehreren Jahren im Haushalt der Großmutter. Nachdem dieser gemäß § 1630 Abs. 3 BGB die elterliche Sorge übertragen worden war, beantragte sie erfolgreich Hilfen zur Erziehung für ihre Enkel. Selbst wenn Großeltern ihre Enkel zunächst unentgeltlich erzogen haben, brauchen sie das Jugendamt heute nicht mehr ernsthaft vor die Alternative zu stellen, für eine Entlohnung zu sorgen oder auf die Betreuungsdienste zu verzi...