Ob aus Eltern einmal Großeltern werden, kann man sich nicht aussuchen. Sie werden von ihren Kindern dazu gemacht – oder auch nicht.
Kinder – Eltern – Großeltern
Die Begriffe kennzeichnen die Stellung des Einzelnen innerhalb seines Familienverbandes. Mit dieser Stellung verbinden sich wiederum bestimmte Rollenerwartungen. Der um die Vorsilbe "Groß" erweiterte Elternbegriff beschreibt aus Kindessicht einen Sprung von zwei Generationen. Die Vorsilbe "Ur" erweitert die Beschreibung auf beliebig viele Ahnen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch tauchen Großeltern namentlich nur als Erben und seit 1998 als Umgangsberechtigte auf. Im Übrigen sprechen das BGB und andere Gesetze ganz abstrakt von der Verwandtschaft in gerader Linie.
Zitat
"Personen, deren eine von der anderen abstammt, sind in gerader Linie verwandt".
§ 1589 BGB bindet die Verwandtschaft an die genetische Abstammung. Dies entspricht den biologischen Tatsachen sowie dem Sinngehalt des Begriffs. Alles andere hätte das Vorstellungsvermögen des Gesetzgebers von 1900 überstiegen. Dieser hat seine Beobachtungen prosaisch als das "natürliche Band des Blutes" umschrieben, auf welches er dann eine ganze Reihe von Rechtsregeln stützte.
Die biologische Abstammung war und ist dabei die Regel. Hinter den Eltern stehen die leiblichen Großeltern, unterschieden nach der mütterlichen und der väterlichen Linie. Trotz gleich enger Verwandtschaft zu dem Enkelkind ergeben sich hieraus gewichtige Unterschiede.
Leibliche Eltern und rechtliche Elternschaft sind nicht unbedingt identisch. Inzwischen mehren sich die unkonventionellen Familienformen, bei denen mancher Kinderwunsch das tradierte Familienbild ins Wanken bringt. Folgt aus der Ehe für alle die Familie für alle? Wird in einer gleichgeschlechtlichen Ehe die Frau, die nicht gebiert, Vater bzw. Co-Mutter kraft Gesetzes oder kann sie eine Mutterschaft anerkennen, die nach dem Wortlaut des Gesetzes weiterhin eine Vaterschaft ist? § 1592 BGB kennt nur die Vaterschaft eines Mannes. Aufgrund des eindeutigen Kontextes zur Verwandtschaft dürfte eine analoge Anwendung auf andere Beziehungen nicht in Betracht kommen. Der BGH hat jüngst die Bedeutung der bei Zeugung und Geburt maßgeblichen Statusbeziehung betont:
Zitat
"Eine von den biologischen Fortpflanzungsfunktionen abweichende statusrechtliche Zuordnung hätte für die Kohärenz der Rechtsordnung weitreichende Folgen, weil Mutterschaft und Vaterschaft als rechtliche Kategorien untereinander nicht beliebig austauschbar sind, sondern sich sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Begründung als auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Rechtsfolgen voneinander unterscheiden."
Wer sind die Großeltern eines Kindes, wenn auf Wunsch eines Paares das aus Spendersamen und gespendeter Eizelle gezeugte Kind von einer Leihmutter ausgetragen worden ist? Diese Frage muss alsbald beantwortet werden.
Kinder aus künstlicher Befruchtung und Adoptivkinder gelten heute als ebenbürtige Kinder ihrer rechtlichen Eltern. Diese machen damit wiederum ihre Eltern zu Großeltern, ein Ereignis, welches diese vielleicht gar nicht mehr erwartet hatten und dem sie freudig entgegensehen – oder auch nicht. Ebenso möglich ist es, dass sie solchen Wahlverwandtschaften reserviert bis ablehnend gegenüberstehen.
Ist eine Elternschaft im Ausland anerkannt, hängt die Rechtswirkung im Inland davon ab, ob sie auch in Deutschland eingetragen wird. Eine Selbstverständlichkeit ist dies nicht. Der BGH hat eine solche Eintragung bei gleichgeschlechtlicher Ehe nicht am ordre public scheitern lassen und kann sich bei seiner Entscheidung durch die weitere Rechtsentwicklung bestätigt sehen. Im Fall der Leihmutterschaft gibt es in der obergerichtlichen Rechtsprechung hingegen noch sehr divergierende Vorstellungen – ein im Statusrecht unhaltbarer Zustand.
Neue Familienformen brauchen ein neues Abstammungsrecht – nicht nur für Eltern und Kinder, sondern auch für die Herkunftsfamilien. Die biologische Abstammung bestimmt in unserem Kulturkreis die primären Familienbeziehungen; Mutter und Vater haben für die Abstammung der Nachkommen denselben Stellenwert. Die biologische Abstammung selbst ist eine schlichte Tatsache, die durch keine Rechtsvorschrift außer Kraft gesetzt werden kann. Dementsprechend hat der vom Bundesjustizminister eingesetzte Arbeitskreis in seinem Abschlussbericht vorgeschlagen, zwar am Primat der genetischen Abstammung festzuhalten, sich jedoch dafür ausgesprochen, den Begriff "Abstammungsrecht" durch "rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung" zu ersetzen. Die Folgeprobleme für die auf Abstammung beruhenden Familienbeziehungen haben jedoch weder der Kommissionsbericht noch die Beratungen auf dem letzten Juristentag thematisiert. Aus der Sicht der Großelterngeneration entspricht die Beziehung zu einem "child in law" gerade nicht der Abstammung, sondern ähnelt eher einer Schwägerschaft.
Eine Neuordnung des Abstammungsrechts erfordert daher zugleich eine Neuordnung verwandtschaftlicher Rechte und Pflichten...