Die Entscheidung des KG Berlin behandelt die praxisrelevante Frage, unter welchen Voraussetzungen der nicht mit der Mutter des Kindes verheiratete Vater an der elterlichen Sorge für das Kind zu beteiligen ist. Die Rechtslage zur gemeinsamen elterlichen Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern zeichnete sich seit der Kindschaftsrechtsreform dadurch aus, dass eine gemeinsame Sorge nur dann zustande kommen konnte, wenn die Eltern nach §§ 1626a Abs. 1 Nr. 1, 1626d BGB öffentlich beurkundete übereinstimmende Sorgeerklärungen abgeben oder einander heiraten, § 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB. Im Falle der Weigerung der Mutter zur Abgabe einer Sorgeerklärung hatte der Vater keinerlei Möglichkeiten, eine gerichtliche Surrogation der mütterlichen Erklärung zu erreichen. Auch eine Übertragung der Alleinsorge auf den Vater nach § 1672 Abs. 1 BGB war neben einer Kindeswohlprüfung zusätzlich noch von der Zustimmung der Mutter abhängig. Dieses gesetzgeberische Konzept erfuhr bereits im Zuge der Reform dezidierte Kritik, wurde aber im Jahre 2003 vom BVerfG im Grundsatz bestätigt. Das BVerfG schloss sich in seiner Begründung im Wesentlichen den Erwägungen des Gesetzgebers an, dass § 1626a BGB eine klare Sorgerechtsregelung im Interesse der Kinder treffe und die Verweigerung der Abgabe einer Sorgerechtserklärung seitens der Mutter Ausdruck einer nicht tragfähigen Beziehung zwischen den Elternteilen sei, die sich im Falle einer gemeinsamen Sorge zu Lasten des Kindes auswirken werde. Es schloss sich auch der Erwartung des Gesetzgebers dahingehend an, dass die mütterliche Verweigerung stets aus kindeswohlbezogenen Gründen erfolgen werde und diese ihre Machtposition gegenüber den Vätern nicht missbrauchen werden. Das BVerfG stellte seine Erwägungen jedoch unter die Bedingung, dass sich die gesetzgeberischen Erwartungen an die Kindeswohlbezogenheit mütterlicher Verweigerungen im Laufe der Zeit auch bestätigen und verpflichtete den Gesetzgeber die tatsächliche Entwicklung diesbezüglich zu beobachten. Die Entscheidung ließ die kritischen Stimmen im Schrifttum jedoch nicht verstummen. Schließlich erreichte diese Rechtsfrage den EGMR, der im Dezember 2009 entschied, dass der prinzipielle Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung, ob die Verweigerung der Mutter zur Abgabe einer Sorgeerklärung auf kindeswohlbezogenen Gründen beruhe, den klagenden Vater in seinen Menschenrechten aus Art. 8 i.V.m. Art. 14 EMRK verletzt. Das Urteil löste im Schrifttum große Zustimmung aus. Im Juli 2010 befand das BVerfG dann erneut über § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie nun auch über § 1672 Abs. 1 BGB. Dabei folgte es im Wesentlichen der Argumentation des EGMR. Es judizierte die Verfassungswidrigkeit von § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB und § 1672 Abs. 1 BGB, weil sie die Interessen des nicht mit der Mutter verheirateten Vaters pauschal und ohne gerichtliche Einzelfallprüfung zurücksetzen. § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB ist nun bis zum Inkrafttreten einer verfassungskonformen Neuregelung mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Familiengericht den Eltern die gemeinsame Sorge auf Antrag eines Elternteils zu übertragen habe, soweit dies dem Kindeswohl entspricht. Damit hat das BVerfG einen positiven Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Kindeswohls festgelegt.
Die vorliegende Entscheidung des KG Berlin reiht sich in die seit dem Urteil des BVerfG ergangene obergerichtliche Rechtsprechung zu der Übergangsregelung des BVerfG ein. Entscheidend für das Gericht ist eine Abwägung zwischen dem grundrechtlich geschützten Interesse des Vaters auf Zugang zur gemeinsamen Sorge und den Belangen des Kindes. Für Letztere ist bei entgegenstehendem Willen der Mutter wiederrum relevant, ab welchem Konfliktpotenzial die elterliche Beziehung ein derart schädliches Ausmaß für das Kind annimmt, dass bei Einräumung der gemeinsamen Sorge eine Verschlimmerung der Situation für das Kind befürchtet werden muss. Konkret geht es dabei um die Anzahl und die Qualität der elterlichen Auseinandersetzungen im Hinblick auf eine individuell zu erwartende Mehrbelastung des Kindes durch die gemeinsame Sorge. Fraglich ist des Weiteren, wie die Gerichte mit Müttern umgehen, die um der Erhaltung des Status quo wegen derartige Auseinandersetzungen suchen oder befördern.
Das KG Berlin hat in seiner Entscheidung das Konfliktpotenzial der Eltern bei gemeinsamer Sorge als kindeswohlabträglich bewertet. Dabei hat es die Frage, ob ein Mindestmaß an elterlicher Übereinstimmung besteht, zum Ausgangspunkt seiner Erwägungen gemacht. Damit übernimmt es eine zentrale Forderung aus der langjährigen Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 6 Abs. 2 GG hinsichtlich der gemeinsamen elterlichen Sorge und befindet sich im Einklang mit der übrigen obergerichtlichen Rechtsprechung zur Übergangsregelung des BVerfG. Entscheidend ist demzufolge, wann ein solches Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern nicht mehr vorliegt. Das Gericht stützt sich hier im Wesentlichen auf einen Bericht des Jugen...