Auf Seiten des Unterhaltspflichtigen ist bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens auf die Einkommenssituation abzustellen, die in der Zeit vorlag, für die der Unterhalt verlangt wird. Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen für zurückliegende Unterhaltszeiträume ist nach den in dieser Zeit tatsächlich erzielten Einkünften zu bestimmen. Die Praxis bildet aus Vereinfachungsgründen Durchschnittsbeträge für die jeweiligen Jahre. Sofern für das laufende Jahr noch keine aktuellen Belege vorliegen, wird das Einkommen aus dem Vorjahr fortgeschrieben. Gegebenenfalls muss das Nettoeinkommen unter Zugrundelegung einer geänderten Steuerklasse und geänderter Beträge für Steuern und Sozialversicherung neu ermittelt werden.
Sofern sich innerhalb eines Jahres eine gravierende Veränderung der Einkommensverhältnisse ergibt, muss zur Feststellung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit ggf. auf zwei Zeiträume und ihre jeweiligen Durchschnittsbeträge abgestellt werden.
1. Arten der Einkünfte
Unterhaltsrechtlich relevant für den Kindesunterhalt sind regelmäßig alle Einkünfte, die dem Unterhaltspflichtigen zufließen. Dabei kommt es nicht darauf an, welcher Art diese Einkünfte sind und aus welchem Anlass sie erzielt werden.
Steuerlich ist das Einkommen der Gesamtbetrag aller Einkünfte aus den sieben Einkunftsarten gemäß § 2 Abs. 1 EStG nach dem Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen (§ 2 Abs. 4 EStG). Das sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§§ 13–14a EStG), Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15–17b EStG), Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG), Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG), Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG), sonstige Einkünfte i.S.d. §§ 20–23 EStG. Bei den Einkünften aus den ersten drei genannten Einkunftsarten handelt es sich wegen der Art ihrer Ermittlung um Gewinne (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG). Die Einkünfte aus den vier weiteren genannten Einkunftsarten sind wegen der Art ihrer Ermittlung Überschusseinkünfte, wobei Überschuss die Summe aller Einnahmen abzüglich der Werbungskosten ist (§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG).
Es ist unerheblich, ob diese Einkünfte regelmäßig oder unregelmäßig anfallen. Entscheidend ist lediglich, ob die Einkünfte aus einer zumutbaren Tätigkeit erzielt werden. Wenn eine Tätigkeit zumutbar ist, jedoch nicht ausgeübt wird, kommt die Zurechnung fiktiver Einkünfte in Betracht (s.u.).
Die Rechtsprechung und die Praxis im Unterhaltsrecht gliedern die oben genannten steuerlichen Einkünfte nach sachlichen Gesichtspunkten. In der Regel erfolgt eine Unterteilung in Erwerbseinkünfte, Vermögenseinkünfte, Erwerbsersatzeinkünfte und sonstige Einkünfte.
a) Erwerbseinkünfte
Zu den Erwerbseinkünften gehören alle Einkünfte, die auf dem Einsatz der Arbeits- und Leistungskraft beruhen. Hierzu gehören Einkünfte aus abhängiger Arbeit, Einkünfte von Freiberuflern, sonstigen Selbstständigen und Gewerbetreibenden, die nicht buchführungspflichtig sind und auch freiwillig keine Bücher führen, Einkünfte von Vollkaufleuten, Gewerbetreibenden und sonstigen Selbstständigen, die ihren Gewinn nach § 5 EStG durch Betriebsvergleich ermitteln. Weiter zählen hierzu Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, wenn und soweit auch der persönliche Leistungseinsatz für die Gewinnerzielung bedeutsam ist.
Neben dem eigentlichen Gehalt zählen zu den Einkünften auch Sonderzahlungen wie z.B. Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld, Zulagen, Spesen, Prämien, Auslösungen, Überstundenvergütungen, Jubiläumszahlungen, Tantiemen, Abfindungen, ferner sonstige geldwerte Leistungen wie z.B. Stromdeputate, Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung. Auch ein Lottogewinn zählt zu den Einkünften.
Ein inhaftierter Strafgefangener, der arbeitet, verfügt über Arbeitsentgelt. Aus diesem Arbeitsentgelt werden Hausgeld, Überbrückungsgeld und Eigengeld gebildet. Für Unterhaltszwecke steht regelmäßig nur das Eigengeld zur Verfügung. Im Einzelnen hierzu BGH vom 1.7.2015 – XII ZB 240/14, FamRZ 2015, 1473.
b) Erwerbsersatzeinkünfte
Unter den Begriff Erwerbsersatzeinkünfte werden Einkommen aus einer früheren Erwerbstätigkeit, die wegen Alters oder Invalidität beendet wurde oder wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit vorübergehend unterbrochen ist, verstanden. Hierzu zählen Einkünfte aus Renten und Pensionen sowie Einkünfte aus Erwerbsersatzleistungen wie Arbeitslosengeld I, Krankengeld usw. Diese Einkünfte haben Lohnersatzfunktion und sind für Unterhaltszwecke einzusetzen.
c) Vermögenseinkünfte, § 1603 Abs. 1 BGB
Unter den Begriff Vermögenseinkünfte fallen im Wesentlichen die Nutzungen aus einem Vermögen oder Kapital einschließlich der Gebrauchsvorteile eines Vermögens. Die bede...