Die Surrogatlehre erschien als die ideale Lösung, um nach der Differenztheorie zu § 1578 BGB mit dem Einkommen der früheren Hausfrau aus einer scheidungsbedingt aufgenommen Erwerbstätigkeit nicht allein den unterhaltspflichtigen Ehemann, wie nach der bis dahin herrschenden Anrechungstheorie, zu entlasten, sondern auch die geschiedene Ehefrau besserzustellen, indem ihr die Hälfte ihres Verdienstes bleibt. Die Folgen, dass die Hausfrauenehe als Doppelverdienerehe behandelt wird, der Unterhaltsanspruch der Ehefrau sich erhöht und verlängert, versucht der BGH, durch seine Rechtsprechung zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F., nunmehr zu § 1578b BGB, zu korrigieren. Es bestehen Zweifel, ob es sich um eine gelungene Rechtsfortbildung handelt. Der gesetzliche Regelfall des lebenslangen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen nach § 1578 BGB wurde in der Wirklichkeit zur Ausnahme. Der praktische Regelfall ist, dass nach einer Übergangszeit die geschiedene Ehefrau – sie, nicht der Mann, ist fast immer betroffen – auf den angemessenen Lebensstandard gemäß der auch vom BGH als Ausnahmebestimmung bezeichneten Vorschrift des § 1578b BGB verwiesen wird, nach der Rechtsprechung auf den sozialen Status der fiktiv ledig Gebliebenen. Die mit der Surrogation verbundene Lehre von den wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen wurde vom BGH auch auf die Fälle der nach der Scheidung begründeter Unterhaltspflichten für die neue Ehefrau und Kinder ausgedehnt. Nachdem dies vom BVerfG zum Bedarf nach § 1578 BGB beanstandet wurde, wird diese Rechtsprechung im Kern unverändert nunmehr bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit nach § 1581 BGB fortgesetzt.
Die Surrogatlehre beim Wohnvorteil weicht ebenfalls vom Stichtagsprinzip ab und rechnet ein sich veränderndes nacheheliches Einkommen zu den ehelichen Lebensverhältnissen, diesmal aufseiten des unterhaltsberechtigten und/oder des unterhaltspflichtigen Eigentümer-Ehegatten. Es ist seltsam, wenn bei einer Ehe, die durch das Wohnen in einer Wohnung geprägt war, nach der Scheidung der volle Wohnvorteil von zwei Wohnungen/Häusern und zu deren Erwerb aufgenommene Darlehen die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmen sollen. Während die Rechtsprechung bei der Hausfrauen-Entscheidung unter dem Druck stand, dass die verfassungsrechtliche Benachteiligung der geschiedenen Ehefrau durch die Anrechnungsmethode behoben werden musste, und die Lösung des BGH die Schwierigkeit der Monetarisierung der Hausarbeit und Betreuungsleistungen der Hausfrau vermeidet, besteht beim Problem des Wohnwerts weder eine Zwangslage, noch macht es Schwierigkeiten, diesen zu beziffern. Die Surrogattheorie ist zwar auch im Rahmen von § 1578 BGB verwendbar. Auf diese gestützt, kann etwa das durch den Auszug des einen Ehegatten entstandene "tote Kapital" aktiviert werden. Sie allein vermag jedoch nicht zu rechtfertigen, den in der Ehe erreichten Wohnvorteil bei der Bedarfsbemessung in Abweichung vom Stichtagsprinzip zu erhöhen oder zu erniedrigen. Der nacheheliche Wohnvorteil muss vielmehr, soweit er nicht schon in den ehelichen Lebensverhältnissen angelegt ist, wie etwa eine kurz nach der Scheidung fällige Schlusstilgung der Hausschulden, dem Wohnvorteil des jeweiligen Ehegatten während der Ehe wertungsmäßig entsprechen. Die durch Übernahme des Miteigentumsanteils des anderen Ehegatten bedingte Ausdehnung des Wohnvorteils und der erhöhte Wohnvorteil eines mit dem Verkaufserlös und Krediten angeschafften Hauses entspricht nicht dem Wohnvorteil des jeweiligen Ehegatten in der Ehe, findet, um einen Ausdruck des BVerfG zu gebrauchen, nicht darin seine Äquivalenz, sondern in den aufgenommenen Krediten oder in dem Einsatz eines während der Ehe nicht für Unterhaltszwecke verwendeten Eigenkapitals. Der veränderte Wohnvorteil beruht auf scheidungsbedingten Vorgängen ohne inneren Zusammenhang mit den ehelichen Lebensverhältnissen.
Autor: Dr. Hans-Ulrich Graba , Vors. Richter am Oberlandesgericht a.D., Neusäß/Augsburg
FF 9/2014, S. 342 - 345