Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Rückwirkung der für eine wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ab 1999 geltenden Beteiligungsquote von 10 %;. Auslegung des Tatbestandsmerkmals einer wesentlichen Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre;. Rechtsmissbräuchliche Absenkung der Beteiligungsquote durch Anteilsveräußerung auf unter 10 %. im Dezember 1998. Einkommensteuer 1999
Leitsatz (amtlich)
1. Ändert der Gesetzgeber die als wesentlich anzusehende Beteiligungsgrenze i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, bestimmt sich das Tatbestandsmerkmal einer „wesentlichen Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre” für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der in diesem jeweils geltenden Beteiligungsgrenze. Eine Rückbeziehung der ab 1999 auf 10 % gesenkten Beiteiligungsquote auf abgeschlossene Veranlagungszeiträume bewirkt eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.
2. Die Veräußerung einer zum Privatvermögen gehörenden Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft von unter 10 % in 1999 führt auch dann zu keiner Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002, wenn der Beteiligte bis zur teilentgeltlichen Veräußerung von 0,08 % seiner Anteile an seinen Ehegatten im Dezember 1998 und damit noch innerhalb des für § 17 EStG maßgeblichen Fünfjahreszeitraums vor 1999 mit 10 % beteiligt war. Die Anteilsveräußerung ist nicht rechtsmissbräuchlich, da die 10 %-Beteiligung nach der bis 1998 geltenden Fassung des § 17 EStG nicht steuerverstrickt war und die durch das StEntlG 1999/2000/2002 geänderte Fassung des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG im Veräußerungszeitpunkt (Dezember 1998) noch nicht galt.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 1 S. 4; GG Art. 20 Abs. 3; EStG § 17 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 42; StEntlG 1999/2000/2002
Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2000 wird der Einkommensteuer-Jahresbescheid 1999 vom 22. Mai 2001, insoweit abgeändert, als für die Klägerin zu 2) keine Einkünfte aus Veräußerungsgewinnen anzusetzen sind. Die für 1999 festzusetzende Einkommensteuer ist durch den Beklagten zu berechnen.
2. Die Revision wird zugelassen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des mit Kostenfestsetzungsbeschluss angesetzten Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Tatbestand
Streitig ist die Auslegung des in § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) enthaltenen Tatbestandsmerkmals der wesentlichen Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre.
Die Kläger, Eheleute, die im Streitjahr Zusammenveranlagung gewählt haben, waren bis zum 29. Dezember 1998 am Stammkapital der Firma … GmbH (im folgenden O.-GmbH) in Höhe von zuletzt 750.000 DM beteiligt und zwar der Kläger mit 450.000 DM zu 60 % und die Klägerin mit 75.000 DM zu 10 %. Durch Kaufvertrag vom 29. Dezember 1998 – auf den Bezug genommen wird – übertrug die Klägerin einen Kapitalanteil von 600 DM zum Preis von ebenfalls 600 DM – mit sofortiger Wirkung – auf den Kläger. Auf Grund dieser Übertragung erhöhte sich die Beteiligung des Klägers an der O.-GmbH auf 450.600 DM. Die Beteiligung der Klägerin verringerte sich auf 74.400 DM = 9,92 % der Geschäftsanteile. Mit Vertrag vom 28. Juni 1999 veräußerte die Klägerin ihren gesamten Anteil von 74.400 DM zum Preis von 992.000 DM. Die Kläger legten für Zwecke der Anpassung der Vorauszahlungen keinen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG für die Klägerin zu Grunde. Der Beklagte hingegen erfasste im Einkommensteuervorauszahlungsbescheid vom 5. November 1999 bzw. im Einkommensteuer-Jahresbescheid 1999 vom 22. Mai 2001 für die Klägerin einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 916.356 DM.
Dagegen wenden sich die Kläger nach erfolglosem Vorverfahren mit ihrer Klage.
Nach der Gesetzeslage im Veranlagungszeitraum 1998 wäre der Anteilsverkauf der Klägerin dem § 17 EStG nicht unterfallen, weil die geforderte wesentliche Beteiligung in Höhe von 25 % nicht erreicht worden sei. Nach der Gesetzeslage im Jahr 1999 sei § 17 EStG ebenfalls nicht erfüllt, weil die Beteiligung der Klägerin ab dem 29. Dezember nur noch 9,92 % betragen, also unter 10 % gelegen habe. Die Rückerstreckung der 10 %-Grenze auf die fünf vor der Veräußerung liegenden Jahre und damit die Besteuerung des in 1999 erzielten Veräußerungsgewinns führe in dreifacher Weise zu einer verfassungswidrigen Rückwirkung des Gesetzes und zur Verletzung des Vertrauensschutzes. Grundsätzlich müssten die steuerlichen Folgen seines Handelns für jeden Steuerpflichtigen vorhersehbar sein. Der Vertrauensgrundsatz dürfe deshalb nicht nur formalrechtlich, sondern müsse auch in seiner wirtschaftlichen Wirkung gedeutet werden. Der Neufassung des § 17 EStG durch das Jahressteuergesetz 1999/2000/2002 lasse sich nur eine Herabsetzung d...