Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkosten als Kinderbetreuungskosten nach § 4f EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Kinderbetreuungskosten in Form von Fahrtkosten (0,30 EUR pro gefahrenen Kilometer) an die Großmütter sind auch dann nach § 4f EStG als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten abzugsfähig, wenn die Betreuungsleistung unentgeltlich erbracht wird und wenn hinsichtlich der genauen Zeiten, an denen Betreuungsleistungen erforderlich sind, eine bloße Rahmenvereinbarung abgeschlossen wird.
2. Unschädlich ist, wenn die Betreuungsleistung zusätzlich zu den Aufenthalten des Kindes in der Kindertagesstätte erforderlich geworden ist.
Normenkette
EStG 2008 § 4f; BGB § 241 S. 1, §§ 662, 670, 675
Tenor
1) Der Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 24. November 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. September 2011 wird dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer auf den Betrag herabgesetzt wird, der sich ergibt, wenn die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit um weitere erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten in Höhe von 1.742 EUR (2/3 von 2.613 EUR) vermindert werden. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
2) Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3) Das Urteil ist wegen der den Klägern zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags vorläufig vollstreckbar.
4) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Fahrtkostenersatz, den die Kläger (Kl) ihren Müttern für Fahrten bezahlt haben, die im Zusammenhang mit der von ihnen geleisteten Betreuung des Sohnes der Kl angefallen sind, als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten gemäß § 4f Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind.
Die Kläger (Kl) sind miteinander verheiratet und werden antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Beide Kl erzielten im Streitjahr u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kl erzielte außerdem Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Am 22. Dezember 2007, am 12. Mai 2008 und am 14. Mai 2008 schlossen die Kl mit der Mutter des Kl bzw. mit der Mutter der Klägerin (Klin) so bezeichnete „Vereinbarungen zur Kinderbetreuung” ab, wonach sich die Mütter der Kl verpflichteten, deren Sohn an einem Tag pro Woche, erforderlichenfalls auch öfter, unentgeltlich zu betreuen. Die Kl verpflichteten sich zum Ersatz der Fahrtkosten, die für die Fahrten vom Wohnsitz der jeweiligen Mutter zur Wohnung der Kl entstanden, mit je 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Verträge Bezug genommen.
Für die im Streitjahr geleisteten Fahrten rechneten die Mütter der Kl die folgenden Beträge ab:
- Mutter des Kl: 1.886,40 EUR,
- Mutter der Klin: 727,20 EUR.
Die Kl bezahlten den Fahrtkostenersatz im Wege der Überweisung.
Am 6. September 2009 reichten die Kl ihre ESt-Erklärung für das Jahr 2008 beim Beklagten (Bekl) ein. Dabei machten sie u.a. erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten wie folgt geltend:
– Fahrtkostenersatz für die Mutter des Kl: |
1.886 EUR |
– Fahrtkostenersatz für die Mutter der Klin: |
727 EUR |
– Kosten für den Kindergarten ab September 2008 halbtags: |
342 EUR. |
Mit Bescheid vom 24. November 2009 setzte der Bekl die ESt der Kl für das Jahr 2008 fest. Dabei ließ er nur Kinderbetreuungskosten in Höhe von 228 EUR (2/3 von 342 EUR) zum Abzug zu. Zur Begründung führte er insoweit aus, „Kinderbetreuungskosten in Form von Fahrtkosten an die Großmütter” könnten nicht berücksichtigt werden. Gemäß R 4.8 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) und H 4.8 Einkommensteuer-Hinweise (EStH) sei es für die Anerkennung von Verträgen zwischen Angehörigen notwendig, dass eine klare Vereinbarung vorliege, die inhaltlich dem zwischen Fremden Üblichen entspreche und tatsächlich auch so durchgeführt werde. Zudem dürften die Leistungen nicht üblicherweise auf familienrechtlicher Grundlage erbracht werden. Nach den Vereinbarungen mit den Großmüttern seien die Betreuungsleistungen unentgeltlich erbracht und nur die Fahrtkosten erstattet worden. Die Vereinbarungen könnten somit nicht anerkannt werden. Berücksichtigt würden daher nur die Kindergartenaufwendungen.
Mit Schriftsatz vom 26. November 2009 legten die Kl Einspruch ein. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, ihres Erachtens seien die von ihnen geleisteten Fahrtkostenerstattungen als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten abzugsfähig. Diese Fahrtkostenerstattungen seien wie unter Fremden üblich im Vorhinein klar vereinbart und entsprechend der Vereinbar...