rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzgängereigenschaft nach DBA-Schweiz. Keine Nichtrückkehrtage bei Rückreise aus Drittland und Tätigkeit im Inland
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Grenzgängereigenschaft i. S. d. Art. 15a DBA-Schweiz setzt voraus, dass ein in der BRD ansässiger Arbeitnehmer regelmäßig die Grenze zur Schweiz überquert. Dies erfordert kein tägliches jedoch mehr als nur ein gelegentliches Überqueren der Grenze zur Schweiz.
2. Keine für die Grenzgängereigenschaft schädlichen Nichtrückkehrtage sind Tage, an denen der Grenzgänger von mehrtägigen Geschäftsreisen aus Drittstaaten an seinen Wohnsitz zurückkehrt und Arbeitstage in der Bundesrepublik Deutschland.
3. Zwischenstaatlichen Verständigungsvereinbarungen kommt keine unmittelbare Gesetzeskraft zu.
4. Ein Handlungsbevollmächtigter i. S. v. Art. 462 des Schweizer Oblgationenrechts ist kein leitender Angestellter i. S. d. Art.15 Abs. 4 S. 1 DBA-Schweiz
Normenkette
DBA CHE Art. 15a, 15 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 1; Schweizer Obligationenrecht Art. 462
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute, die für die Veranlagungszeiträume 1997-2001 (Streitjahre) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Sie hatten in den Streitjahren ihren Wohnsitz in X (zuvor bis zum 21. Dezember 1995 in Y/Schweiz s. Ziff. 2 Buchstabe a der Erklärung über die Arbeitsaufnahme als Grenzgänger vom 5. Januar 1996, Bl. 2 der Einkommensteuerakten – ESt-Akten – Band III). Der am xx.xx.xxxx geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Diplomchemiker absolviert und anschließend auf diesem Fachgebiet promoviert (Hinweis auch zur Zeile 4 [Ausgeübter Beruf] der Mantelbögen der Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre).
Der Kläger arbeitete seit dem Jahr 1978 bei der … (C-AG), deren Sitz sich in Y/CH (=Confoederatio Helvetica = Schweiz) befand. Er begann seine Tätigkeit für die C-AG in deren Zweigwerk in Z/Bundesrepublik Deutschland. Dort war er bis zum Jahr 1983 tätig. Für diesen Zeitraum war dem Kläger Handlungsvollmacht erteilt worden (nach deutschem Handelsrecht). Anschließend wechselte der Kläger zur C-AG nach Y. Er arbeitete im Stab des Produktionsleiters. Die Handlungsvollmacht galt zunächst weiter. Anschließend wurde der Kläger Produktionsleiter und im Jahr 1987 wurde ihm die „Prokura zu zweien” verliehen (nach Schweizerischem Recht; s. Ablichtung aus dem Schweizerischen Handelsamtsblatt [SHAB] vom 12. Januar 1987; s. Vorblatt der Einkommensteuerakten – ESt-Akten – Band IV). Dem Finanzgericht (FG) wurden weder die Statuten der C-AG noch deren Organisationsreglement (oder andere für das Zeichnungsrecht bedeutsame Regelungen) vorgelegt; ebenso wenig Unterlagen über die Erteilung der Kollektivprokura.
Nach dem Arbeitsvertrag vom 21. März 1995 (Bl. 99 der FG-Akten) war der Kläger ab dem 1. April 1995 bei der C-AG in höherer leitender Stellung tätig aufgrund jeweils gültiger Stellenbeschreibung. Diese Stellenbeschreibung liegt dem FG nicht vor.
Mit einer Aktion der C-AG wurden im Schweizerischen Handelsregister alle Unterschriften per 5. Mai 1993 gelöscht und (nur noch) die Zeichnungsberechtigung „zu Zweien” für alle Mitarbeiter eingetragen. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, werden ab diesem Zeitpunkt keine Unterschriftsberechtigungen und Funktionsbezeichnungen (im Sinne eines Prokuristen, Direktors, Geschäftsführers usw.) mehr im Schweizerischen Handelsregister eingetragen.
Hiermit in Übereinstimmung wurden lt. der (in der Schweiz auch in der Tagespresse veröffentlichten) Mitteilung der C-AG vom 24. Juni 1993 an alle „ehemaligen Unterschriftberechtigten” alle Handelsregistereintragungen von Unterschriftsberechtigungen der „(ehemaligen) Direktoren, Stellvertretenden Direktoren, Vizedirektoren” gelöscht, wobei den Löschungen folgender Text vorangestellt wurde:
„Die C-AG hat die Zeichnungsberechtigung kollektiv zu zweien für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeführt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen werden keine Unterschriftsberechtigungen ins Handelsregister eingetragen.”
Angesichts dieser Praxisumstellung (vgl. hierzu: Meier-Hayoz/Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 10. Aufl., 2007, § 9 Rn. 62-64; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, § 29 Rn. 62-69; Watter in: Basler Kommentar, Honsell Vogt Watter [Hrsg.], Obligationenrecht II, 3. Aufl., 2008 [im folgenden: BSK OR II-Bearbeiter], Art. 718 Rn. 36 und 37) bei einem der größten Arbeitgeber der Schweiz (der C-AG) war die deutsche Delegation in dem Verständigungsverfahren, das zur (generellen) Vereinbarung vom 7. Juli 1997 führte (s. das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 7. Juli 1997 IV C 6 S 1301 Schz – 37/97 –, BStBl I 1997, 723, zu 2. Buchstabe a) bereit, abweichend vom bisherigen Verständnis eine „solche” allgemeine Zeichnungsberechtigung anzuerkennen. Allerdings wurde darauf bestanden, dass zusätzlich und zwingend eine Bestätigung des Arbeitgeber...